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Braunaus schwieriges Erbe

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Seit Jahren steht ein Haus im österreichischen Braunau am Inn in der Diskussion – wegen einer unrühmlichen Vergangenheit und ungewissen Zukunft. Es ist das Geburtshaus von Adolf Hitler. Seit Jahrzehnten mietet die Republik Österreich das Gebäude – aus Angst, dass es eine Kultstätte für Nationalsozialisten wird. Besuch in einer Stadt, die seit Jahren den richtigen Umgang mit dem Hitler-Haus sucht.





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„Salzburger Vorstadt Nr.15“: Ein ehemaliges Gasthaus und mehrstöckiges Gebäude, unauffällig gelb angestrichen, die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert, dunkle Schlieren ziehen sich entlang der Fassade. Die weiße Rückansicht zeigt die imposante Größe des Gebäudes, das schon im 17. Jahrhundert eine Gaststätte mit angeschlossener Brauerei, Stall, Stadel, Sudhaus und Wohnräumen war. Am 20. April 1889 ist Adolf Hitler hier zur Welt gekommen.







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Eine unauffällige Eingangstür, daneben leere Klingelschilder: Seit fünf Jahren steht das Haus leer: 2011 ist die bis dahin dort untergebrachte Behindertenorganisation Lebenshilfe ausgezogen. Der Grund: Die Vermieterin untersagte bauliche Maßnahmen.

Nun will Österreichs Regierung das Geburtshaus Hitlers enteignen. Mitte Juli stimmte der Ministerrat für einen Gesetzentwurf, mit dem die bisherige Eigentümerin enteignet und das Gebäude in Staatsbesitz überführt werden soll.
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Zu einer Einigung zwischen Mieter und Vermieterin ist es nie gekommen. Es kam zu Konflikten: Die Vermieterin lehnte bauliche Maßnahmen ab. Eine Mahntafel an der Fassade des Gebäudes verhinderte sie per Gerichtsbeschluss.

Rund 4800 Euro monatlich zahlt die Republik Österreich als Hauptmieter. Und das seit den 70er Jahren - aus Angst, dass das Gebäude in "falsche Hände geraten" könnte. 

Seit den 80ern steht ein Mahnstein auf dem Gehsteig vor dem Haus. Sonst erinnert kaum etwas an Hitler, an die NSDAP, an die Vergangenheit. 


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Knapp ein Jahr bewohnte die Familie Hitler die Wohnung in dem Gasthaus, dann mietete sich schon bald in ein Haus in der Linzer Straße ein. Anders als vor dem Geburtshaus ist hier Kein Mahnmal, kein Hinweis auf Hitler zu finden - ausgenommen einem Stolperstein vor dem Haus gegenüber. Eine Erinnerung an Anna Sax, die als Mitglied einer Gruppe von Braunauer Zeugen Jehovas 1942 ermordet wurde.

Doch der spätere Wohnort Hitlers hat längst nicht den Stellenwert, den das Geburtshaus "Salzburger Vorstadt" erreichte. 
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Das Gasthaus Pommer (oben links), Einmarsch Hitlers im März 1938 (unten links),Bekanntmachung vom 25. Mai 1938 zum Ankauf des Hauses durch die NSDAP (unten rechts) und eine Ansichtskarte des Zimmer Hitlers (oben rechts).
Das Gasthaus Pommer (oben links), Einmarsch Hitlers im März 1938 (unten links),Bekanntmachung vom 25. Mai 1938 zum Ankauf des Hauses durch die NSDAP (unten rechts) und eine Ansichtskarte des Zimmer Hitlers (oben rechts).
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Doch das "Geburtshaus des Führers" ließ sich erfolgreich vermarkten. Mit Eigentümerin Gerlinde Pommer befindet sich das Haus nun schon in dritter Generation im Eigentum der Familie. 1912 kauft die Familie das Gebäude. 

1936 beginnt die Familie laut dem österreichischen Nachrichtenmagazin „Profil“ mit einer erfolgreichen Vermarktung des Hauses: Das Zimmer Hitlers wird zum Museum umgestaltet. Das Haus in Braunau wird zur Touristenattraktion, zur Pilgerstätte für Hitler-Anhänger.  

Für Hitler selbst hat sein Geburtshaus keine große Bedeutung. Nur einmal kehrt er zurück: Am 12. März 1938 marschiert er mit der deutparliamentschen Wehrmacht in Österreich ein, durchquert als erstes die 16000- Einwohner-Stadt Braunau an der deutsch-österreichischen Grenze. Er fährt an seinem Geburtshaus vorbei, stehend, ohne auszusteigen. 

Zwei Monate später erwirbt Martin Bormann, Privatsekretär Hitlers und Vermögensverwalter der NSDAP, im Auftrag der Partei das Gebäude. Die Partei investiert in die Sanierung des Gebäudes, eine Volksbücherei und Galerie werden eingerichtet, das Geburtszimmer Hitlers wird originalgetreu wieder hergestellt und massenhaft werden Ansichtskarten von Haus und „Kinderzimmer“ unters Volk gebracht.


Das Gasthaus Pommer (oben links), Einmarsch Hitlers im März 1938 (unten links),Bekanntmachung vom 25. Mai 1938 zum Ankauf des Hauses durch die NSDAP (unten rechts) und eine Ansichtskarte des Zimmer Hitlers (oben rechts).
Das Gasthaus Pommer (oben links), Einmarsch Hitlers im März 1938 (unten links),Bekanntmachung vom 25. Mai 1938 zum Ankauf des Hauses durch die NSDAP (unten rechts) und eine Ansichtskarte des Zimmer Hitlers (oben rechts).
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Am 2. Mai marschieren US-Soldaten in Braunau ein. Ein deutscher Stoßtrupp versucht unmittelbar nach der Befreiung Braunaus, Hitlers Geburtshaus in die Luft zu sprengen. US-Soldaten verhinderten den Angriff. Nach Kriegsende fällt das Haus in die Hände der Republik. Die Pommers klagen und bekommen es für eine geringe Abschlagszahlung im Jahr 1954 zurück. 
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Nach Kriegsende wird das Haus phasenweise als Schule, als Stadtbücherei, als Bank genutzt. Kotanko ist selbst in Braunau geboren. "Wir haben gewusst, dass Hitler hier geboren wurde. Aber es ist eigentlich nicht darüber geredet worden und oder historisch thematisiert worden."  Nie sei das Gebäude vor dem Auszug der Lebenshilfe ein Thema in der Stadt gewesen.

Und auch heute wird ihm kaum eine Bedeutung beigemessen. Für viele der Braunauer ist es "ein ganz normales Haus". Auch die von Medien verbreitete Nachricht, dass Braunau Anziehungspunkt für Besucher aus der rechtsradikalen Szene sei,  entspricht laut Kotanko nicht der Realität. "Es sind hauptsächlich Touristen, die wissen, dass Adolf Hitler hier geboren wurde. Die schauen sich das Haus an, haben mit der Ideologie überhaupt nichts zu tun. Natürlich kann es sein, dass der ein oder andere mit neonazistischen Gedankengut vor dem Haus steht - aber es gibt keine Demonstrationen oder Kranzniederlegungen."

Dennoch stellt sich den Braunauern immer wieder die Frage, wie mit dem Erbe umzugehen ist.
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Doch bis zur Entscheidung wird es dauern. Im Herbst diskutiert das österreichische Parlament die Enteignung und wird diese dann auch formal absegnen. Dann wird eine Kommission Ideen und Vorschläge zur Zukunft des Hauses vorlegen.

Eben diese Vorschläge sorgen derzeit für Gesprächsstoff. Was wird aus dem Haus? Museum, Integrationsbüro, Stadtbücherei, Behördenstandort oder doch Abriss? In Braunau wird debattiert.



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Eine Debatte, die mitunter auch heftig kritisiert wird: Medienberichten zufolge habe der Vorsitzende des Braunauer Stadtvereins, Ingomar Engel, die aktuellen Äußerungen rund um die Enteignung des Hauses als "beschämend unsachlich und erschreckend uninformiert" kritisiert. Im Mittelpunkt der Kritik steht der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der erklärte, er könne sich einen Abriss als beste Lösung vorstellen. Das Problem: Seit 1993 steht das Haus als Teil des Ensembles der sogenannten Salzburger Vorstadt unter Denkmalschutz. 

In der Bevölkerung gibt es unterschiedliche Meinungen zum zukünftigen Umgang. Kotanko plädiert für eine Weiternutzung des Hauses und spricht von einer "Entmystifizierung" des Hauses: 



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Doch mit der ungewissen Zukunft des Hitler-Hauses bleibt auch "der Mythos" und "das Geheimnisvolle" in Braunau am Inn bestehen. Ein erster Schritt ist getan: Der Gesetzesentwurf zur Enteignung wurde vorgelegt, von der Regierung akzeptiert. Im September wird er im Parlament diskutiert und dort möglicherweise geändert oder beschlossen werden. Wie es dann weiter geht, bleibt offen.
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Redaktion
Anja ReichertNadine Sapotnik

Bilder und Videos
Anja Reichert, Nadine Sapotnik
Verein für Zeitgeschichte Braunau  
Parlamentsdirektion/Peter Korrak 
Photo Ernesto bv

Verantwortlich
Yannick Dillinger

Kontakt
www.schwäbische.de
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