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Mein Franzose

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1992 haben Hunderte Franzosen Friedrichshafen verlassen. Geblieben sind vor allem Gebäude, die bis heute das Stadtbild prägen - und Erinnerungen.

Gemeinsam mit Usern der Facebook-Gruppe „Friedrichshafen, damals, gestern, heute“ und Lesern der Schwäbischen Zeitung haben wir uns auf die Suche nach Zeitzeugen gemacht. Auf die Suche nach bedeutenden Personen oder besonderen Erlebnissen.

Die einzelnen Episoden haben wir zu einer einzigartigen Geschichte der Besatzungszeit zusammengefasst. Damit ihr endlich wieder sagen könnt: "Weißt Du noch?"  
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Die Anfangsjahre

„Wir sitzen mit unseren Nachbarn im Keller, während ein Luftangriff über uns hinwegfegt. Immer wieder dumpfe Schläge. Wände zittern. Die alten Frauen beten.“ 1944 ist Isolde Nimmerrichter zwei Jahre alt. Es sei einer der Momente, an den sie sich erinnere. Einer der sie prägte: „Bis heute kann ich keine Sirenen hören ohne Schweißausbruch und Herzrasen.“ Monate später hat der Krieg ein Ende: Im April 1945 marschieren französische Truppen in Friedrichshafen ein, im Mai kapituliert Deutschland.


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„Am 15. Mai überfielen marodierende marokkanische Soldaten der französischen Armee unser Haus“, erzählt Nimmerrichter heute. Im Haus seien damals auch ein Reichsbahndirektor und seine Tochter gewesen. Die Männer wurden in den Keller verschleppt, bewacht von einem Mann mit Gewehr. Oben habe das Mädchen nach dem Vater geschrien, die Männer wurden unruhig, der Bewacher nervös. „Er schoss auf meinen Vater und verfehlte ihn um wenige Zentimeter.“ Bis zum Verkauf des Hauses im Jahr 2006, sei das Einschussloch sichtbar gewesen.
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 „Man hatte Respekt“, fasst der Häfler Kurt Jetter die Anfangsjahre zusammen. Dennoch hindert es den damals 17-Jährigen und seine Freunde nicht, im Sommer 1945 zum Baden an den See zu gehen. „Ein französischer Soldat ist aus seinem Ruderboot ausgestiegen und hat es an Land gezogen. Wir fragten, ob wir das Boot ausleihen dürften. Er antwortete 'Oui, oui’. Ob er uns verstanden hat, weiß ich auch nicht“, sagt Jetter und lacht. „Es war strengstens verboten, dass Deutsche mit einem Boot auf dem See herumfahren. Doch das hinderte uns nicht.“

Sie wurden festgenommen und eingesperrt – über Nacht. Am nächsten Morgen habe einer der Soldaten sie nach draußen begleitet. „Er sagte 'promenade’ Wir dachten, wir dürften gehen und waren gerade um die Ecke, als er uns hinterherlief. Wir sollten nur einen Spaziergang machen und frische Luft schnappen.“ Jetter lacht. „Immerhin haben wir Essen bekommen, weil sich meine Mutter für uns einsetzte. Wir mussten das Geschirr spülen und die Zimmer saubermachen. Mittags dasselbe.“

Beim Spülen sehen die Jungs auf einem Schrank zwei Keksdosen. „Ich habe die erste runtergeholt. Die war noch original verpackt. Bei der anderen war nur noch der Boden bedeckt. Die haben wir dann gerade ganz leer gemacht.“ Noch heute kann Jetter über die Episode lachen.
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"Nachdem wir Arbeitsmaiden aus dem Arbeitslager Schloss Hirschlatt Hals über Kopf entlassen wurden, weil die französischen Truppen kurz vor Friedrichshafen standen, konnte ich bei meiner Tante zunächst unterkommen, bis meine Familie wieder eine Wohnung fand. Nach einiger Zeit beruhigte sich die Situation und die Schulen wurden notdürftig in Betrieb genommen.

Als ich von der Schule nach Hause kam sagte meine Mutter: "Am Güterbahnhof werden Kartoffeln aus einem Waggon geladen! Geh schnell hin, ob du welche kriegen kannst! Komm aber bald zurück, es gibt Dampfnudeln!" Ich fuhr mit meinem Rad gleich nach der Schule zum Güterbahnhof. Dort wurden unsere Pässe kontrolliert. Da ich in der Eile meinen Ausweis vergessen hatte, wurde ich mit vielen anderen in einen kleinen Raum verwiesen, der sich schnell füllte. Ein französischer Soldat kam mit einem großen Laib Weißbrot von dem er dicke Scheiben abschnitt und an die vielen Leute jeglichen Alters verteilte. Dazu gab es Most zu trinken.

Als der kleine Raum knallvoll war, wurde ich als Erste aufgerufen: "Venez, Mademoiselle." ("Kommen Sie") Ich wurde in einen großen Schlafsaal geführt, auf den Betten lagen einige Soldaten in ihren Uniformen. Mir wurde ganz mulmig. Am Ende des langen Saales stand ein Tisch mit einer Decke belegt, ein Bügeleisen und eine Schüssel Wasser. Der Soldat hielt mir eine Hose hin: "Mademoiselle, repassez!" ("Bügeln Sie!")

Ich tat mein Bestes und bügelte die Hose, bis ein zweiter Soldat ebenfalls mit einer Hose da stand. Aber der Erstere sagte: "Assez" ("Genug") und ich durfte mit meinem Fahrrad nach Hause radeln. Meine Mutter sorgte sich natürlich bereits, weil ich so lange weg blieb. Aber es ging ja alles gut."
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Der Aubau

„Der deutsche Staat musste im Rahmen der Wiedergutmachung für die Soldaten und deren Familien Wohnraum schaffen", berichtet Gert Schwarz. "Es wurden Wohnblöcke gebaut, von denen wir damals nur träumen konnten.Ganze Siedlungen entstanden - mit Kino, Restaurant und einer Art von Supermarkt“ 



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„Zwischen September und Weihnachten 1946 wurde unsere Wohnung beschlagnahmt“, erzählt Isolde Nimmerrichter. Weil das Erdgeschoss vermietet und das Obergeschoss von diesem Zeitpunkt als Quartier für französische Familien diente, zieht die Familie ins Dachgeschoss. „Unbequem und bescheiden“ sei es dort gewesen und trotzdem erinnert sich Nimmerrichter gerne an den Jungen Jean-Paul, der mit seinen Eltern im Haus lebte, an das Ehepaar Espina, die ihren Sohn durch eine deutsche Tretmine verloren hat, „Monsieur Vernet“, den Direktor der CRAS, samt seiner Familie und an den Pilot Guerain, der im Tiefflug über das Haus flog um seine Frau zu grüßen. Nach zehn Jahren bekam die Familie die Wohnung zurück – und damit ein Stück Normalität.
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Weiter erinnert sich Gert Schwarz an die Firma CRAS (Die Aufnahme von 1948 zeigt den Eingangsbereich des französischen Reparaturbetriebs, Quelle: Stadtarchiv Friedrichshafen): "Das französische Militär hat die Firma C.R.A.S. (Centre de Réparation Auto Sud) gegründet. Es war ein großer Instandsetzungsbetrieb für Militärfahrzeuge aller Art, von Jeep, LKW bis Panzer. Die Franzosen haben dort ihre beschädigten Fahrzeuge restaurieren lassen, auch amerikanische Fahrzeuge, die der französischen Armee zur Verfügung gestellt wurden, da es den Amis vermutlich zu umständlich war, alle defekten Fahrzeuge aus Europa
wieder zurück in die USA zu transportieren.

Die kriegsbeschädigten Fahrzeuge wurden bis ins kleinste Teil repariert. Alles wurde ausgetauscht, Geld spielte keine Rolle, die Firma musste nichts verdienen oder Gewinn machen. Sie wurde vom deutschen Staat finanziert (Wiedergutmachung, Reparationszahlung): Es wurde ein jährlicher Etat für Material und Lohnkosten zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter wurden aus diversen Industriebetrieben, vor allem Maybach-Motorenbau, per Militärbefehl in das CRAS-Werk beordert um dort weiter zu arbeiten - sie wurden bei Maybach nie offiziell entlassen. Die Soldaten und Offiziere hatten ja keine Ahnung von Fahrzeugbau und benötigten daher deutsche Fachkräfte.

Die Firma CRAS wurde hauptsächlich mit neuen Maschinen ausgestattet, die alten Maschinen und Bauteile der deutschen Industrie hatten die Franzosen konfisziert und nach Frankreich geschippt. Das hatte Vor- und Nachteile: Die Franzosen hatten nun die alten Maschinen. Die Deutschen mussten neue Maschinen anschaffen und waren deswegen auf dem neuesten technischen Stand.

Die Franzosen waren zwar zu dieser Zeit "die Herren im Haus", es gab jedoch keine besonderen
Probleme mit dem Zusammenleben. Manchmal demonstrierten sie ihre Siegermacht: Bei einer
PKW-Fahrt mit Militärkennzeichen beispielsweise gab es die Order, wegen einer deutschen Polizeikontrolle nicht anzuhalten. Ebenso gab es keine Strafe wegen Flurschaden, wenn ein Panzer oder Militär-Laster von der Straße ins Feld abging."

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Klaus Peiler berichtet von seiner Kindheit Friedrichshafen - und erinnert sich besonders gern an die Vorweihnachtszeit:

 "Da mein Vater bei den stationierten Franzosen in der C.R.A.S. beschäftigt war, gab es im Dezember immer wieder mal einen Karton mit Navel-Orangen. In dieser damaligen Zeit! Süß, saftig, reif und das Ganze zum sattessen. Unvergessen bis heute.

Das absolute Highlight im Vorschulalter war für mich jedoch die „Französische Bescherung“. Jedes Jahr hat die C.R.A.S. die Familien ihrer deutschen Mitarbeiter zu einem weihnachtlichen Nachmittag in die dortige Kantine eingeladen. Ein riesiger, über und über bunt geschmückter Weihnachtsbaum, brennende Kerzen auf den festlichen Tischen, Lebkuchen, "Brödla" und heißer Kakao für uns Kinder - so viel man wollte oder konnte. Wie im Schlaraffenland. Dazu französische und deutsche Weihnachtslieder. Und zum krönenden Abschluss ging auf der kleinen Bühne der Vorhang auf und es zeigte einen riesigen Berg aus verpackten Geschenken. Diese waren mit Schleifchen und Bändern verziert, waren lang und schmal, groß und klein. Man konnte deshalb nicht abschätzen, was drin ist. Die Spannung wuchs für uns Kinder. Als dann der französische Saint Nicolas mit seiner lautem Geschell hinter dem bunten Berg hervorkam und anschließend jedem Kind ein Päckchen übergab, da war Bescherung.

Der Heimweg, damals natürlich zu Fuß, der dann bereits im Dunkeln war, erhöhte die Spannung nochmals und führte zu einer enormen Vorfreude.
Ich gehörte nämlich zu denjenigen, welche ihr Geschenk erst zuhause ausgepackt haben.

Heute ich den Französischen Verantwortlichen nach wie vor sehr dankbar für diese Erlebnisse.
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Zeit für Freunde

„Nach dem zweiten Weltkrieg herrschte eine Sehnsucht nach Frieden wie nie zuvor“, sagt Walter Münich. „Vor allem die katholischen Geistlichen der ehemaligen Kriegsgegner fühlten sich mit in der Verantwortung, für die Aussöhnung der 'Erbfeinde’ zu arbeiten und die geistig-moralischen Auswirkungen der NS-Zeit zu heilen. Sie gründeten die Pax-Christi-Bewegung.“ Als Standortpfarrer der Garnison habe Aumonier Krebs wesentlich zur raschen Normalisierung des Verhältnisses beigetragen. Ebenso wie seine Urlaubsvertretung Auguste Priasso (Foto), Kaplan, Kantor und Organist an der Cathédrale Notre-Dame in Nizza. Mit der ersten Vertretung 1951 entsteht eine enge deutsch-französische Freundschaft.
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1955 besucht der Domchor von Nizza die Stadt, in der Canisiuskirche singen die Chöre eine Friedensmesse. Walter Münich ist Messdiener, erlebt den französischen Pfarrer aus nächster Nähe und ist fasziniert – bis heute: „Es waren die christliche Bruderliebe, die tiefe Frömmigkeit von Père Priasso und sein kirchenmusikalisches Wirken, die viele Herzen erreicht haben. Wenn sein Name fällt, leuchten noch heute die Augen der Menschen, die ihn erlebt haben.“

1998 stirbt der Pfarrer. „Die Qualität dieser Freundschaft musste einmalig bleiben, aber die Kontakte zum Konvent des Wallfahrtsklosters von Laghet, dem Altersruhesitz des Geistlichen, und zu gemeinsamen Freunden in Nizza sind lebendig geblieben“, so Münich.
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„1952 bis 1955 wohnte ich in der Hofinger Esch (heute: Breslauer Straße). Da hörten wir als Kinder immer die Panzer der Franzosen auf der Hochstrasse aus Richtung Schnetzenhausen kommend. Wir haben alles stehen und liegen gelassen und sind zur Straße gerannt um den Soldaten zuzuwinken. Oft wurden wir dafür mit Süßigkeiten belohnt, die die Besatzer uns zuwarfen. Das Brummen der Panzermotoren und das Rasseln der Ketten, blieb als ein wichtiges Kindheitserlebnis zurück. Genauso die bleibenden Schäden am damals ohnehin schon ramponierten Straßenbelag.“ (Facebook)
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1957 wird die Deutsch-Französische Gesellschaft Friedrichshafen, Club Franco Allemand gegründet – samt Jugendclub. „Man traf sich im Jugendclub, es wurde gesprochen, getanzt und Theater gespielt“, erzählt Isolde Nimmerrichter. „Leider gab es wenig französische Jugendliche, da die im Gymnasium in Konstanz oder im Internat in der Heimat waren.“

Eine dieser französischen Jugendlichen war Martine Bour. Mit knapp elf Jahren wird sie 1961 ins Gymnasium „Pierre Brossolette“ nach Konstanz geschickt. Jeden Morgen haben Bour und andere Schüler zwischen zehn und 17 Jahren einen Schulweg von rund zwei Stunden: Mit „beschlagnahmten deutschen Bussen, uralt und ohne Heizung“ ging es nach Meersburg, mit Fähren, die „nicht besser waren“, nach Konstanz und von dort wiederum mit Bussen zur Schule – und abends zurück. „Die Fahrten waren im Winter absolut kein Vergnügen. Die Strecke hab ich fünf Jahre lang gemacht“, erinnert sich Bour.

Sie berichtet von einem Abend im Winter: An der Ecke Kepler-/Prielmayerstraße warten Eltern auf ihre Kinder, die nicht kamen. „Der See war tagsüber gefroren und total zugeschlossen. Wir standen in Konstanz herum, bis der Bus, der uns von Friedrichshafen abholen sollte, den See umfahren hatte – und dann zurück. Wir kamen sehr spät nach Hause und man kann sich nicht vorstellen, wie wir gefroren haben. Niemand hat unsere Eltern benachrichtigt, es gab kein Telefon und keinen Nachrichtendienst.“
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Doch nicht nur Technik auch die Sprache sorgt für Kommunikationsprobleme: 1970 kommt Jacques Grimaldi als Soldat nach Friedrichshafen. „Wir haben kein Wort Deutsch gesprochen. Es war schwierig. Wenn wir in die Stadt zum Essen gegangen sind, haben wir nicht gewusst, was wir bestellen können. Also haben wir Spezi und Schnitzel mit Pommes bestellt. Das haben wir gekannt. Wir haben nicht alles verstanden, haben uns aber wohlgefühlt.“ Vier Jahre war er Soldat, arbeitete danach im „Foyer“. „Ich habe hier Arbeit gefunden und bin geblieben. Am Anfang ist mir die Entscheidung schwer gefallen, schließlich war ich noch keine 18 Jahre als ich gekommen bin. Aber die Zeit hier war wunderbar – ich möchte das nicht missen.“
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Und plötzlich ist es Liebe

Die Kontakte werden enger; aus Freundschaft wird Liebe – wie 1975: „Ich war mit Arbeitskolleginnen beim Weiberball und wurde von einem Franzosen mit kurzen Haar zum Tanz aufgefordert. Er sprach kein Deutsch, deshalb versuchte ich ihm mit meinem Schulfranzösisch zu erklären, dass an diesem Tag die Frauen den Tanzpartner auswählen“, erzählt Konstanze Cormier. „Wir tanzten den ganzen Abend – Es war für uns beide wohl Liebe auf den ersten Blick.“ Mehrmals pro Woche habe Konstanze ihn am Kasernentor abgeholt, um ihm und seinen Kameraden, Stadt und Umgebung zu zeigen. Im Juni endet sein Wehrdienst, sie treffen sich alle drei bis vier Wochen in einer kleinen Stadt in Frankreich, die für beide 500 Kilometer vom jeweiligen Heimatort entfernt war. „Im Januar 1976 kam 'mein Franzose’ dann ganz zu mir nach Deutschland.“

Der Abschied 1992 war für uns sehr traurig, hatten wir doch ein Stück französische Kultur, Freunde und französische Lebensart verloren“, sagt Konstanze Cormier. „Wir vermissten die Bälle der Deutsch-Französischen Gesellschaft, wo die französischen Soldaten in Galauniformen tanzten. In der Stadt waren keine blauen Autokennzeichen mehr zu sehen. Die Franzosen fehlten.“ Im September haben Konstanze und Jean-Jacques Cormier ihren 40. Hochzeitstag gefeiert. „Wie wäre unser beider Leben wohl ohne die französische Garnison verlaufen?“, fragt sie.



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Mit knapp 21 Jahren wird 1976 auch der Soldat Frédéric Dhalleine nach Friedrichshafen verlegt und ist am Flughafen Löwental bei der Hubschrauberstaffel stationiert. Zur selben Zeit besucht die 18-jährige Liane das Graf-Zeppelin-Gymnasium in Friedrichshafen.

„Ich hoffe, dass unsere Geschichte bezeugen kann, dass Kontakte unter verschiedenen Völkern nicht nur möglich, sondern auch bereichernd sein können und eine Versöhnung immer möglich ist, auch nach langen und schwierigen Konflikten“, schreibt sie.

 Im Februar 1976 sei sie mit einer Freundin am französischen Kino auf dem Maybachplatz vorbeigegangen.
Sie schauen sich die Plakate an, können aber keine Spielzeiten finden. Sie gehen weiter Richtung Stadtmitte und bemerken vor ihnen drei Franzosen in Zivil. Liane nimmt ihren Mut zusammen und fragt nach den Spielzeiten der Kinofilme. „Da drehte sich Frédéric um, um mir freundlich Auskunft zu geben. Jeder ging dann weiter seiner Wege. Ich selber allein ins Kino an diesem Abend...“, berichtet Liane weiter.

Einige Tage später sei sie wieder mit der Freundin unterwegs gewesen. Um ein Eis zu essen, gehen die beiden ins „Rialto“ in die Friedrichstraße. Erneut trifft sie Frédéric. Ab diesem Moment treffen sie sich öfter. „Aus der anfänglichen Freundschaft wurde Verliebtheit.“
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1976 macht Liane ihr Abitur und beginnt eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Frédéric verlässt Ende 1976 Friedrichshafen: Seine Zeit beim Militär ist beendet, doch um in Deutschland zu arbeiten, habe er sein Deutsch als zu schlecht empfunden. Er findet eine Arbeitsstelle im nordfranzösischen Hesdin. Liane beendet ihre Ausbildung in Deutschland. „Wir sahen uns regelmäßig und sooft wie möglich in dieser Zeit.“ Schließlich findet sie eine Stelle in einer Papierfabrik in Nordfrankreich. Mitte August 1978 heiraten die beiden – in Friedrichshafen.

Heute leben Dhalleines in Hesdin, doch die Nähe zu Friedrichshafen ist geblieben. „Ich komme immer gerne. Es ist nicht leicht, die Heimat zu verlassen. Meine Großeltern, meine Eltern und meine Freunde haben mir immer sehr gefehlt, aber ich bin auch in Frankreich glücklich geworden. Ich habe das auch einmal in einem Gedicht festgehalten...“
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Der Abschied

Nach zwei Jahren in Frankreich kehren Katharina und Christian Meyer 1978 nach Friedrichshafen zurück. Meyer war als Soldat in Langenargen stationiert. Spricht als Elsässer Französisch und Deutsch und übersetzt, vermittelt zwischen den Kulturen – unabhängig vom Militär.

Immer wieder gibt es sportliche Veranstaltungen: Die Athleten des VfB, darunter auch Meyer, machen Aktionen mit den Soldaten: Sport, Wettkämpfe, Laufwettbewerbe.

Eine der bedeutendsten Aktionen: Der Staffellauf nach Paris 1992. Mit dem Lauf wollte man die Verbundenheit mit den französischen Soldaten demonstrieren. Mehr als 20 Staffelläufer werden am ersten Mai im Pariser Rathaus empfangen (Foto der damaligen SZ-Ausgabe). Nie habe ein Sportereignis für solch einen politischen Wirbel gesorgt, wird der Organisator und Leichtathletik-Chef Rudi Könitzer in der damaligen Ausgabe der SZ zitiert. Wenige Tage vor dem Start habe der französische Verteidigungsminister die Beteiligung französischer Soldaten untersagt und die Pariser Polizei habe im letzten Moment signalisiert, dass sie wegen Verkehrsprobleme am Mai-Feiertag keine Polizeieskorte für die letzte Etappe durch die Innenstadt stellen könne.

Der Lauf ist umstritten und bedeutend: Unter anderem habe die Pressestelle des Vatikans ein Telefax geschickt, in dem der Papst seinen Segen aussprach. Der Bischof von Verdun habe der Staffel den Namen „Friedensstaffel“ gegeben. Im Rathaus übergibt Könitzer eine Liste mit 5200 Unterschriften von Häfler Bürgern, die mit ihrem Namen ihre Sympathie zu den Franzosen bekundeten.





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Edgar Brechenmacher und Wolfgang Beck haben den Lauf 1992  mit der Kamera begleitet. Katharina und Christian Meyer haben uns den Film zur Verfügung gestellt. Die Ausschnitte aus dem Film geben nur einen Einblick in den bedeutungsvollen Abschied der Sportler von der französischen Garnison. 

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„Ich bin mit den Franzosen aufgewachsen – wohnte ja damals in der Prielmayerstraße in den 'Franzosenblocks’. Es war eine wunderbare Zeit: Wir haben im Hof immer Fußball gespielt. Deutschland gegen Frankreich. Unzählige Fensterscheiben gingen zu Bruch. Ich vermisse die Zeit richtig.“ (Facebook)
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Entstanden mit freundlicher Unterstützung von der Facebook-Gruppe "Friedrichshafen - gestern, damals, heute"

Besonderen Dank an alle Zeitzeugen

Text: Anja Reichert

Fotos: Privat, Archiv und Anja Reichert

Videobearbeitung: Alexander Kurreck, Marcus Fey

Filmproduktion: Sportkreis Bodensee, Copyright 1992.
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