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Der Einsturz von Rana Plaza - Zwei Jahre danach

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Bilder wie dieses erschütterten vor zwei Jahren die Welt

Eine Frau sucht nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik 2013 nach ihrer Tochter. (Foto: dpa)
Eine Frau sucht nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik 2013 nach ihrer Tochter. (Foto: dpa)
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Am 24. April 2013 um 9 Uhr morgens stürzte in Bangladesch das neun Stockwerke zählende Gebäude Rana Plaza in sich zusammen.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich über 3000 Menschen darin.
1127 von ihnen wurden getötet, 2438 wurden verletzt.







Eine Frau sucht nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik 2013 nach ihrer Tochter. (Foto: dpa)
Eine Frau sucht nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik 2013 nach ihrer Tochter. (Foto: dpa)
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Der eigentliche Skandal

Schon am Tag zuvor waren Risse am Gebäude festgestellt worden. Doch die Arbeiter der Textilfabriken wurden mit Sicherheitsversprechen und auch Zwang am 24. April in das Gebäude beordert.

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Dies war nicht das erste Unglück dieser Art in Bangladesch

Im November 2012 waren 117 Menschen bei einem Feuer in einem ähnlichen Gebäude gestorben – es hatte keine ausreichenden Löschvorrichtungen und Rettungswege gegeben.

Ähnlich der Fall im September 2012, als in einer pakistanischen Textilfabrik 289 Menschen durch ein Feuer starben. Die Arbeiter waren eingeschlossen und wurden nicht aus dem brennenden Gebäude gelassen – die Fabrikbesitzer hatten Angst vor Diebstahl durch die eigenen Arbeiter. In beiden Fällen ließ auch der Textildiscount Kik dort produzieren.

Wie es zweien der Rana-Plaza-Überlebenden heute geht, lesen Sie hier in einer Reportage.


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Überrascht waren viele Konsumenten aus reichen, westlichen Länder auch, als sich herausstellte, dass die Näherinnen im Rana-Plaza-Gebäude Kleidung für Billig-Textilhändler wie Kik, C&A, H&M, Tchibo, Aldi und andere produziert haben.
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Die Modekonzerne mussten sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Viele Verbraucher fragten im Laden nach, woher die Ware stammt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde. Die Konzerne mussten handeln.

Doch was ist seither geschehen? Susanne Schulz, Redakteurin der Schwäbischen Zeitung, ist nach Dhaka gereist, um sich anzusehen, was sich geändert hat.

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Der Schock hat sich wie der Staub von Rana Plaza gelegt. Die Konzerne haben Opferfonds ins Leben gerufen und Allianzen gegründet, die Kontrolleure durch Hunderte der bangladeschischen Textilfabriken schicken.

Die Regierung in Dhaka hat den Mindestlohn für Näherinnen von 3000 Taka (35 Euro) auf 5300 Taka (62 Euro) monatlich angehoben und Vorschriften für Brandsicherheit und Katastrophenschutz festgesetzt. Die zulässige Arbeitszeit ist auf acht Stunden am Tag beschränkt. Außerdem dürfen sich die Arbeiter seither in Gewerkschaften organisieren.

Man zeigt uns zwei Fabriken in Dhaka. Wir können uns sicher sein: Es handelt sich um Vorzeige-Betriebe.
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Trockener Staub
füllt die heiße Luft im Raum.
Die Näherinnen sitzen in langen Reihen.
Sie tragen Masken über Mund und Nase,
um ihre Lungen
vor dem Gewebestaub zu schützen.
Doch dieser setzt sich
als weißer Flaum
am dunklen Haaransatz der Frauen ab.
Die weißen Stoffberge hier
werden zu Unterhemden für H&M vernäht.
Jede Frau näht nur eine Naht
und reicht das halbfertige Stück weiter.
Andere Mitarbeiter sortieren
die zugeschnittenen Stoffstücke,
die weiter hinten im Raum
zurechtgeschnitten worden sind.

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Shipon ist 32 Jahre alt und arbeitet bei der Ashique Dress Design Ltd. Die Firma näht Kleidung für H&M, Walmart, Aldi, Lidl und andere. Wir dürfen mit Shipon reden, aber hinter uns stehen schon die Chefs und hören genau zu.

Shipon erzählt, dass sie von 8 Uhr bis 17 Uhr arbeitet – manchmal auch bis 19 Uhr. Vorher sei sie bei einer anderen Firma beschäftigt gewesen. Da habe sie oft bis 22 Uhr hinter der Nähmaschine gesessen.
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Rafique Islam ist 20 und erst seit einem Jahr bei Ashique Dress Design. Dennoch verdient er mit 8000 Taka im Monat fast 1000 Taka mehr als Shipon. Rafique ist Nahtkontrolleur.
Er gibt zu, auch in dieser Firma manchmal bis 22 Uhr abends zu arbeiten.

Standen die Chefs gerade nicht hinter uns?
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Die zweite Fabrik, die wir besuchen,
gehört zu den Premium-Arbeitgebern
in Bangladesch.
Auch Männer nähen und bügeln hier
– so gut wird bei
der Standard Group bezahlt.
 Ihre Auftraggeber heißen GAP, Hilfiger,
Esprit, Tom Tailor, Zara und viele mehr.

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Der Luxusarbeitgeber
setzt alle Anforderungen um:
von der firmeneigenen Krankenstation bis zur Kindertagesstätte. Es ist offensichtlich, dass
dieses Unternehmen eine Ausnahme ist.


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Die Textilfabriken, die direkten Kontakt mit den europäischen und US-amerikanischen Großauftraggebern haben, wie zum Beispiel die beiden, die wir besucht haben, werden regelmäßig kontrolliert.

Nach Rana Plaza wurde von etwa 190 europäischen, nordamerikanischen, asiatischen und australischen Modeketten eine Zusammenschluss namens "Accord on Fire and Building Safety" in Bangladesh gegründet. Weitere 26 nordamerikanische Textilhändler gründeten etwas ähnliches unter dem Namen "Alliance".

"Accord" und "Alliance"
entsenden in etwa 1300 bangladeschische Textilfabriken ihre Kontrolleure, die die Gebäudesicherheit, Fluchtwege und Brandschutzmaßnahmen überprüfen und die Mitarbeiter schulen.

Insgesamt gibt es aber etwa 5000 Textilfabriken in Bangladesch. Die restlichen über 3000 Fabriken werden nicht von "Accord" und "Alliance" geprüft, da sie keinen direkten Handelskontakt mit den ausländischen Bestellern haben.

Etwa 1500 von den verbleibenden fast 3000 Firmen sind registriert und werden sporadisch bis gar nicht von den wenigen staatlichen Kontrolleuren auf Brandschutz, Gebäudesicherheit, Umwelt- und soziale Standards geprüft. Die restlichen 1500 Textilnähereien arbeiten illegal und werden überhaupt nicht kontrolliert.






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Hier lernen sie abends nach getaner Arbeit bei einem Würfelspiel mit Fragen und Antworten ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber.

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Hier kann Tashima offen sprechen. Denn hier führt Nazma Akter das Regiment. Aus ihr spricht die Wut, die Empörung, aber auch die erfahrene Verhandlungsruhe einer Arbeiteraktivistin zu Zeiten der Industrialisierung in Europa. Für uns befremdliche Vergangenheit – für sie die Gegenwart.
Akter ist Gewerkschaftsführerin und berät in ihrem Women Cafe viele Frauen, die selbst in einem der Beteiligungskomitees in den Firmen arbeiten – das ist so etwas wie ein Betriebsrat.

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Wir haben Nazma Akter gefragt: Sind 3,50 Euro ein fairer Preis für ein T-Shirt in Deutschland, wenn es in Bangladesch produziert wurde? – „Nein, auf keinen Fall. Ich zahle in Deutschland ja schon 2 Euro für eine Flasche Wasser. Wie sollen da 3,50 Euro für all die Arbeitszeit, Materialien und Transport zusammen genug sein?“, fragt sie.
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Viele der einfachen Arbeiter leben in Slums

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Kleine Läden, Frisöre, Garküchen säumen die staubigen Gassen, in denen sich der Unrat sammelt. Dahinter liegen die Wellblech-Behausungen.
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Im Flussdelta, das sich aus Ganges und Brahmaputra speist und in Tausenden von Verästelungen ins Meer fließt, leben viele Bauern. Sie bauen vornehmlich Reis an. Oder besser, sie taten es.

Der Klimawandel brachte den Meeresspiegel zum Steigen, das Flussdelta versalzte und der Reis hielt dem nicht Stand, die Lebensgrundlage ging verloren.
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Immer mehr Menschen drängen nach Dhaka und Umgebung – ungelernte Bauern auf der Suche nach Jobs. Billige Arbeitskräfte sind für das Land gleichzeitig Segen und Fluch. Sie locken die Firmen auf der Suche nach billigen Produktionsstandorten an und verhindern zugleich eine Chance auf Aufstieg.
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Wir Europäer sollten uns ein wenig öfter ins Gedächtnis rufen, wie reich wir eigentlich sind. Vielleicht nicht im Vergleich zu unserem Nachbar, der ein großes Haus und ein neues Auto hat. Aber im Vergleich zum Rest der Welt.

Wir leben in Frieden, keiner muss in Wellblechhütten hausen, Kinder können in die Schule gehen. Bewusstes Konsumieren kostet nicht viel - nur etwas mehr Aufmerksamkeit. Und diese Fragen helfen dabei:

1. Brauche ich wirklich regelmäßig neue Kleidung? Oder tut es nicht die alte noch etwas länger?
2. Ist vielleicht im Secondhand-Laden etwas Passendes für mich zu finden?
3. Wenn ich seltener Kleidung einkaufe und vieles davon im Secondhand: Warum sollte ich mir dann nicht auch etwas teurere neue Kleidung leisten, die aber mit Siegeln wie etwa GOTS zeigt, dass auf Sozial- und Umweltstandards geachtet wurde.
(Susanne Schulz)
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Die Recherchereise nach Bangaldesch fand auf Einladung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) statt.

Text: Susanne Schulz
Gestaltung: Johanna Schulz
Fotos: Thomas Kelly/GIZ & dpa

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