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Unsere Heimat im Wandel - Wie das Klima den Südwesten verändert

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Titelfolie

So deutlich wie nie zuvor werden die Folgen des Klimawandels vor unserer Haustür sichtbar: Sintflutartige Niederschläge ergießen sich heftiger denn je, gleichwohl seltener - was den Grundwasserspiegel sinken lässt. Landwirte können ein Lied von Frost und Hagel singen. Fichten sterben aus, neue Tier- und Pflanzenarten verdrängen heimische. Vögel ziehen seltener in den Süden.

Der Klimawandel ist längst zwischen den Alpen, dem Bodensee, dem Hegau und der Ostalb angekommen. Seine Folgen sind sichtbar geworden in unserer Lebenswelt.

Dies ist eine Bestandsaufnahme.
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Redaktion

Michael Scheyer, Christin Hartard, Elisabeth Kniele, Rahel Krömer, Theresa Gnann, Helena Golz, Corinna Konzett, Anna Kratky, Maike Woydt

Fotos & Videos
Alexis Albrecht, Michelle Barbic, Marcus Fey, Laura Keiß, Corinna Krüger, David Weinert, Michael Scheyer, Christin Hartard, Elisabeth Kniele, Rahel Krömer, Theresa Gnann, Helena Golz, Corinna Konzett, Anna Kratky, Maike Woydt

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88212 Ravensburg
Telefon: 0751 / 2955 5555
online@schwaebische.de
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Aufmacher

Meteorologe Roland Roth von der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried versucht stark vereinfacht zu erklären, was hinter den explosionsartig auftretenden Wetterereignissen steckt: Warme Luft könne mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. Das bedeute mehr Energie in der Atmosphäre, die sich abrupt entlade. „Wetterextreme nehmen deshalb zu, weil in der Atmosphäre einfach mehr Power steckt“, sagt Roth. 

Der Klimawandel sei längst nicht mehr aufzuhalten, meint Roth. Und das, was er heute beobachte, sei noch schlimmer als das, was er vor 30 Jahren prophezeit habe.

Für die Wetterwarte Süd arbeiten etwa 300 Teilzeitmeteorologen, die mit mehr als 200 Messstationen Wetterdaten sammeln.

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Forscher sammeln Daten und ziehen Schlüsse aus Werten und Statistiken. So zum Beispiel die berühmte Jahresdurchschnittstermperatur, die im Verbreitungsgebiet der "Schwäbischen Zeitung" zwischen 1,1 Grad auf der Ostalb und 1,5 Grad im Alpenvorland im Zeitraum von 100 Jahren gestiegen ist. Doch diese Werte sind abstrakt, sie sind nicht fühlbar.
Deshalb haben wir Menschen auf der Straße angesprochen. Wir wollten erfahren, an welchen Beobachtungen sie den Klimawandel in unserer Heimat erkennen.

Und wir wollten wissen, ob ihnen diese Beobachtungen Sorgen machen?

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Flora & Fauna

Jahrzehntelang bezeichneten Förster die Fichte als „Brotbaum", da ihr Holz vielfältig verwendet werden kann und relativ gut dafür bezahlt wird.

Im Ravensburger Stadtwald beispielsweise wurden Fichten vor 200 Jahren im großen Stil angebaut. Doch mittlerweile haben Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer riesige Löcher in den Fichtenbestand gerissen. Denn der Fichte wird es in unserer Region einfach zu heiß und vor allem zu trocken. Und mit der Trockenheit kommen die Borkenkäfer, die besonders gerne geschwächte Bäume besiedeln.

Ist ein Baum befallen, ist er verloren.

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Wenn es um klimatische Veränderungen geht, sind Vögel sensibel - vor allem diejenigen, die im Winter in den Süden ziehen. Forscher haben in mehreren Studien bereits nachweisen können, dass der Klimawandel Einfluss nimmt auf Flugrouten, Brutzeiten und Lebensräume von Zugvögeln.
  
Mehlschwalben zum Beispiel kehren durchschnittlich zehn Tage früher aus Nordafrika nach Deutschland zurück als noch vor 30 Jahren.

Diese Entwicklung verfolgen und erforschen die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell.

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Das immer wärmere Klima zeigt sich auch im heimischen Garten. Inzwischen wächst bei uns zum Beispiel auch der Staudenknöterich, der eigentlich in Ost-Asien beheimatet ist, und verbreitet sich wie Unkraut. 

Immer mehr exotische Pflanzen halten Einzug in unseren Gärten. Rund 60 Prozent der nicht-einheimischen Pflanzenarten aus dem Ausland kamen als Gartenpflanze in die Region.

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Landwirtschaft

Landwirte haben besonders mit den klimatischen Veränderungen zu kämpfen. Frost im Frühjahr, extreme Trockenheit oder starke Regenfälle und Hagel stellen sie vor große Herausforderungen.

Die Obstbauern hatten in diesem Frühjahr besonders zu kämpfen. Spätfrost ließ viele Apfelblüten erfrieren. Daher beginnen die ersten Landwirte nach Alternativen zu suchen.

Und das bietet auch neuen Pflanzensorten eine Chance.

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Nach Alternativen müssen Winzer am Bodensee zwar noch nicht suchen, aber auch sie bekommen die steigenden Temperaturen und zunehmenden Wetterextreme zu spüren. 
Vor verregneten Sommern oder häufiger werdenden Hagelstürmen können sie sich nur mit mehr Handarbeit oder Hagelnetzen schützen. 

Die wärmeren Temperaturen bringen aber auch Vorteile mit sich. So erklärt Karl Megerle, Vorsitzender des Winzervereins Hagnau, dass der Bodenseewein aufgrund der höheren Temperaturen in Zukunft wohl anders schmecken wird.

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Während sich Badegäste über die wohlig warmen Wassertemperaturen im Bodensee freuen, machen sie Experten vor allem Sorgen. Besonders die milden Winter führen dazu, dass der See an der Oberfläche immer wärmer wird. Das bisherige Rekordjahr war 2016. Gut 1,5 Grad höher als im langjährigen Mittel war die Durchschnittstemperatur.
 
Auf lange Sicht könnte das dem See die Luft zum Atmen nehmen. Mit dramatischen Folgen sowohl für die Fische als auch für die Fischer.

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Tourismus

Die Zahl der Hitzetage mit mehr als 30 Grad hat deutlich zugenommen: Von durchschnittlich einem pro Jahr in den Sechzigern zu durchschnittlich zehn pro Jahr heutzutage.

Meteorologe Roland Roth zählt auf: "Ulm hat Mittlerweile das Klima von Ravensburg vor 30 Jahren, Ravensburg von Konstanz, Konstanz von Freiburg und Freiburg von Mailand." Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis aus dem Bodensee klimatisch das Mittelmeer wird. 

Laut Umweltbundesamt könnten in den kommenden Jahren bis zu 30 Prozent mehr Touristen nach Deutschland kommen, da klassische Urlaubsorte in der Mittelmeerregion durch die zunehmende Hitze an Attraktivität verlieren.
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Es soll warm sein, aber nicht zu heiß, abenteuerlich, aber nicht unsicher: Die Wahl des passenden Urlaubsorts ist kein einfaches Unterfangen. Neben dem Klima spielt auch die Sicherheit eines Urlaubslandes eine Rolle für die Entscheidung. Nicht nur das meteorologische Klima heizt sich zusehends auf, sondern auch das politische.

Angesichts von Wirbelstürmen in der Karibik, Erdbeben in Italien und Terror in Ägypten scheint kaum ein Ort sicherer zu sein als unsere Heimat.

Alexander Dingeldey, Professor für Tourismus an der Dualen Hochschule in Ravensburg, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Turbulenzen der Welt und dem boomenden Tourismus am Bodensee.
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In den Hochgebirgen beobachten Klimaforscher weltweit den stärksten Temperaturanstieg. Dieser führt dazu, dass die Schneesicherheitsgrenze jährlich steigt und der Permafrost abtaut. Schnee wird Mangelware und Gletscher schmelzen.

Der tauende Permafrost macht Böden weich und heftiger Starkregen schwemmt diese ins Tal. Erdrutsche werden zunehmend eine Gefahr für Menschen. 

Gleichzeitig boomt der Sommertourismus im Gebirge. Bergregionen entwickeln selbst entlegene Winkel, was letztlich dazu führt, dass immer mehr Sicherheitssysteme notwendig sind, die die vielen Menschen vor den vielen Gefahren schützen können.



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Schluss

Vollbild
Welche Phänomene sind auf den Klimawandel zurückzuführen? Das fragte Michael Scheyer den studierten Landwirt und Wissenschaftler am Institut für Klimafolgenforschung Frank Wechsung.

Herr Wechsung, Frost, Hagel, Hitze – was ist mit Sicherheit auf den Klimawandel zurückzuführen?
Die ansteigende Temperatur, da sind alle sich einig, ist die Größe, die uns am meisten Sorgen macht. Die können wir auch gut in Zusammenhang bringen mit dem Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre. Die Starkniederschläge, dazu zähle ich auch Hagel, scheinen in den letzten Jahren zugenommen zu haben. Dies würde unseren Erwartungen für den Klimawandel entsprechen, eine eindeutige Zuordnung der beobachteten Tendenzen zum Klimawandel steht noch aus. Spätfrost wiederum hatten wir schon immer. Aber wegen der Verschiebung des Frühjahrs nach vorne und wegen der milden Winter ist man da ein Stück weit entwöhnt und empfindlicher geworden. Ich glaube jedoch nicht, dass wir in Zukunft häufiger mit diesen Spätfrösten rechnen müssen.

Mit welchen Veränderungen müssen wir sicher rechnen?
Zwei Phänomene sind sehr prägnant: Einerseits die Vorverlagerung des Vegetationsbeginns. Der Winter endet heutzutage früher und die Vegetation treibt zwei bis drei Wochen früher aus. Dieses beobachten wir seit Beginn der 90er-Jahre deutlich. Und diese Beobachtungen beziehen wir auf die Beobachtungen der 60er- und 70er-Jahre. Die Leute, die in den Siebzigern zur Schule gegangen sind, können das gut mit ihren Kindheitserinnerungen abgleichen. Und andererseits – das erlebe ich auch persönlich als sehr prägnant – eine gefühlte Zunahme der Niederschlagsintensität. Ich sage deshalb gefühlt, weil dieses Phänomen sehr schwierig mit Messreihen zu belegen ist. Es ist ein sehr lokales Phänomen und uns fehlen meistens die Daten, um das statistisch sauber nachzuweisen. Aber eine tendenzielle Zunahme der Niederschlagsintensität kann man auch global beobachten.

Sind Borkenkäfer und Buchsbaumzünsler Folgen des Klimawandels?
Diesen Zusammenhang gibt es, ja. Überall dort, wo es eine unmittelbare Verbindung zur Temperatur gibt, steht das mit der globalen Erwärmung in Zusammenhang. Eine unmittelbare Folge des Temperaturanstiegs ist, dass es mehr Insektenpopulationen pro Jahr gibt. Einige dieser Insekten werden auch als Schädlinge wahrgenommen, die sich dann massiver ausbreiten können.

Prägt sich der Klimawandel regional unterschiedlich aus?
Der Obstbau am Bodensee sollte tendenziell von der Erwärmung profitieren, also einen positiven Effekt haben, und das Ertragspotenzial der Apfelbauern beispielsweise erhöhen. Gleichzeitig wird hier wohl der Apfelwickler häufiger auftreten. Dieses Insekt macht dem Apfelanbau zu schaffen. Sollte es zusätzlich noch feuchter werden am Bodensee, müssten die Apfelbauern mit einem verstärkten Auftreten des Apfelschorfes rechnen. Das wiederum impliziert jedenfalls auch, dass möglicherweise mehr Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen werden.

Frost ruinierte heuer aber einen beträchtlichen Teil der Apfelernte.
Ein Extrem. Es ist zwar denkbar, dass es in der Übergangsphase zu gehäuften Kälteeinbrüchen wie diesen kommt. Aber das ist jetzt reine Spekulation. Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass Spätfröste nicht häufiger auftreten werden.

Befinden wir uns denn in einer klimatischen Übergangsphase?
Genau das fragt man sich: Ist das noch die Übergangsphase oder ist das schon das neue Klima? Das macht die Anpassung so schwierig für die Landwirtschaft. Wichtig ist es, da genau zu beobachten und die Landwirte intensiv zu begleiten und regelmäßig zu analysieren, wo es klimatische Trends gibt, mit denen Landwirte arbeiten können.

Die Frage nach der Schuld: Wie positioniert sich da Ihr Institut?
Ziemlich eindeutig: Wir gehen davon aus, dass die von Menschen verursachten Treibhausgasimmissionen zu zwei drittel für den Klimawandel verantwortlich sind. Dafür gibt es starke Indizien. Bisher sehen wir das zwar nur indirekt an den Temperaturen. In vielleicht 15 Jahren werden wir allerdings so weit sein, dass wir das mit entsprechenden Satelliten auch direkt sehen können: Anhand der geringeren langwelligen Rückstrahlung der Erde, die einen größeren Anteil aufgrund der Treibhausgase zurückbehält. Sobald das sichtbar wird, ist das dann aber ein Fakt. Bis dahin müssen wir uns mit den Indizien begnügen, wie dem sehr plausiblen Zusammenhang der seit 150 Jahren ansteigenden Temperaturen und dem gleichzeitig zugenommenen Ausstoß an Treibhausgasen.

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