Titelseite und Überblick
Eine Grenze, zwei Länder, drei Lebensgeschichten
Historisches
Ein Land schreibt Geschichte
Getrennter Wiederaufbau
West und Ost haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie es mit Deutschland weitergehen soll. Die Westmächte streben eine parlamentarische Demokratie, Kapitalismus und Föderalismus an.
In der DDR baut der erste Staatsvorsitzende Walter Ulbricht das Land nach dem Vorbild der Sowjetunion um - sozialistisch. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hält die politische Macht. 1949 entstehen zwei deutsche Staaten mit eigenen Regierungen: die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR).
Erste Abgrenzungsversuche
In der DDR bestimmt die Planwirtschaft das Handeln der verstaatlichten Unternehmen. Die sozialistische Gesellschaftsordnung beherrscht das Privatleben der Bürger. Viele Menschen sind damit unzufrieden und reisen aus. Als Folge schließt die DDR 1961 die Grenze zur BRD. Der Bau der Berliner Mauer beginnt.
Zwischen der Sowjetunion und dem Westen nehmen die Spannungen immer weiter zu. Die Welt teilt sich in einen West- und einen Ostblock auf. Polen und Ungarn gehören als Verbündete der Sowjetunion zum Ostblock.
Der Anfang vom Ende
In den 1980ern löst sich der Ostblock langsam auf: Polen führt demokratische Parteien ein, Ungarn öffnet 1989 seine Grenzen zu Österreich. Tausende DDR-Bürger versuchen deshalb über Ungarn in die BRD einzureisen. Daraufhin verbietet die DDR die Einreise nach Ungarn. Im September 1989 fordern zahlreiche DDR-Flüchtlinge in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag die Erlaubnis zur Ausreise und bitten die BRD um Unterstützung.
Flucht nach vorn
Menschen organisieren sich in der SPD, im "Demokratischen Aufbruch" und in "Demokratie Jetzt".
Aufstand im Frieden
Am 4. November demonstrieren rund 100.000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz.
Ein Staat mit unsicherer Zukunft
Hans Modrow, der neue Ministerpräsident der DDR, spricht von einer „Vertragsgemeinschaft“ zwischen den beiden Staaten. Die DDR solle zu einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ umgestaltet werden, in der es auch „sozialistisches Unternehmertum" geben werde.
Deutschland feiert den Mauerfall
Kurz nach Mitternacht waren alle Grenzübergänge in Berlin geöffnet. Die Menschen lagen sich jubelnd in den Armen und weinten vor Glück. Am Brandenburger Tor stiegen Berliner aus Ost und West auf die Mauer und feierten gemeinsam. Die DDR-Grenzpolizei schritt nicht ein.
Das Ende der DDR naht
Bei den Montagsdemonstrationen werden die Rufe nach einer Wiedervereinigung immer lauter.
Gleiches Geld, gleiches Land?
Nur einen Monat später entscheidet die Regierung der DDR, dass ihr Land der Bundesrepublik Deutschland beitreten soll. Auch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges müssen der Wiedervereinigung zustimmen. Ihre Sorge: Das vereinte Deutschland könnte zu mächtig werden und eines Tages einen neuen Krieg anfangen. Die beiden Staaten handeln im September 1990 zusammen mit den Siegermächten den Zwei-plus-Vier-Vertrag aus. Darin verpflichtet sich Deutschland, nie wieder einen Krieg zu beginnen.
Der historische Tag
Vergangenheit
Dunkle Erinnerungen aus der VERGANGENHEIT
Revoluzzer von Beginn an
Dann fälscht die DDR die Wahlergebnisse im Mai 1989 massiv - für Jacqueline Franke-Lang der Moment, in dem sie sich entschließt, sich im Neuen Forum zu engagieren. "Jeder kannte eine Menge vertrauenswürdiger Leute in seiner unmittelbaren Umgebung, die ihren Stimmzettel ungültig gemacht hatten und trotzdem sollten über 99 Prozent für die Einheitsliste gestimmt haben. Das brachte das Fass zum Überlaufen. "
Die 25-jährige Mutter nimmt an Demonstrationen teil, zeichnet Karikaturen über die Verhältnisse in der DDR und veröffentlicht sie in einer Zeitung, die das Neue Forum regelmäßig herausgibt.
Wunsch nach Freiheit
Friedliche Revolution
Hauptsächlich nahm Jacqueline Franke-Lang aber an Demos teil. Nicht weit von ihrem Wohnort entfernt, im vogtländischen Plauen, gab es am 5. Oktober die erste große Demonstration. Wenige Zeit später demonstrierte sie in ihrer Heimatstadt Werdau. Man traf sich in der Kirche, dann ging’s hinaus auf die Straße.
Das Neue Forum wollte eine friedliche Revolution - "Niemals Gewalt!", sagt Jacqueline.
Beobachtet
Hoffen auf eine bessere DDR
Vielmehr will sie, dass die DDR sich nach dem Mauerfall wandelt: "Wir waren wirklich der Meinung, jetzt bricht eine völlig neue Zeit an". Zu Hause war Jacqueline Franke-Lang in den folgenden Wochen als Vertreterin des Neuen Forums Mitglied des auch in Werdau eingerichteten Runden Tischs. Im ersten halben Jahr nach dem Mauerfall ging es um die Frage, wie man die DDR wandeln könne. "Ich hatte wirklich das Gefühl, ich lebe in einer Demokratie. Dieses Gefühl habe ich nie wieder erlebt."
Doch es kommt anders
Angekommen
Gegenwart
Liebe im JETZT
Eine Sprache, zwei Welten
Swen kommt aus Wolfen in Sachsen-Anhalt, ist dort zur Schule gegangen und hat im selben Ort als Mechaniker gearbeitet. Schon als Kind war ihm klar: Das Leben im Westen ist anders, als es ihm die Lehrer erzählen. Laut sagen durfte er das aber nicht. Trotzdem hat er sich in seiner Heimat wohlgefühlt, hat nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt zu fliehen oder sich politisch zu engagieren.
Nur vier Wochen nach der Wende ist er dennoch ausgereist, hat Arbeit im Westen gesucht und gefunden. Geblieben ist er aber nicht. Nach drei Jahren ging er zur Geburt seiner Tochter zurück nach Wolfen. Zehn Jahre schlug er sich mit verschiedenen Anstellungen durch, bis er 2004 erneut in den Westen ging – diesmal endgültig.
Dagmar ist am See aufgewachsen, hat in Konstanz studiert und bis zur Wende nicht viel über die DDR nachgedacht. Heute ist ihr Blick auf den Osten ein anderer - auch dank Swen.
Der Unterschied steckt im Detail
Obwohl die beiden viel zusammen lachen, gibt es auch beim Humor Unterschiede. „Bei Loriot liege ich unterm Tisch“, erzählt Dagmar. „Aber Loriot ist der Inbegriff unserer westdeutschen Bürgerlichkeit und Swen kann damit überhaupt nichts anfangen.“ Wenn umgekehrt Swen beim Hausputz eine CD mit Ostrock auflegt, stößt wiederum er auf Unverständnis: „Da will sie den Strom abstellen.“
Frischer Blick auf den Osten
Fahrt durch die Zeitgeschichte
Warum der Osten dem Westen weit voraus war
Zukunft
Blick in die ZUKUNFT
Attraktiver Osten
Das zeigt sich vor allem in den Städten: Leipzig ist seit Jahren die am stärksten wachsende Stadt Deutschlands.
Aus Neugier wird Heimat
Er ist froh, den Schritt ist den Osten gewagt zu haben. Denn die Klischees um kaputte Städte und alte Infrastruktur im Osten seien völlig überholt. "Diese Bilder kommen aus der Wendezeit." Mittlerweile habe sich sehr viel gewandelt. "Es ist an der Zeit, dieses Bild zu überdenken", sagt Hendrik Erdmann.
Moderne Städte, abgehängte Dörfer
Auch in den Jobs habe sich viel verändert. Menschen, die früher in der Produktion arbeiteten, seien jetzt in der Dienstleistung tätig.
Auf dem Land sieht es allerdings anders aus, erzählt Hendrik. Die Dörfer sind leerer und älter geworden. "Viele Menschen hat es in die Städte gezogen", sagt er. Deshalb könne er auch verstehen, wenn auf dem Land Frust herrsche.
Was der Südwesten vom Osten lernen kann
Botschafter für den Osten
Seit einigen Monaten lebt Hendrik Erdmann wieder in Ravensburg. Aber nur übergangsweise, bis er mit seinem Masterstudium in Berlin weitermachen kann. Seine Zukunft sehe er auf jeden Fall im Osten. "In Leipzig oder in anderen Städten ist es realistisch, dass ich dort einen Job bekomme." In kleineren Städte habe er beruflich nur wenige Perspektiven.
Was sich ändern muss
Wir müssen beginnen, ganz anders über Ost und West zu sprechen. Wir müssen diese verschiedenen Realitäten ganz anders benennen, damit die Ostdeutschen nicht immer das Gefühl haben, sie haben es immer noch nicht geschafft, sie sind immer noch nicht ganz wie der Westen geworden."
Jana Hensel, Autorin und Journalistin
Impressum
Anne Jethon
Quellen:
Bundeszentrale für politische Bildung
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Fotos:
Anne Jethon,
dpa,
Privatfotos,
Screenshot ARD-Dokumentation
Verantwortlich:
Steffi Dobmeier, stv. Chefredakteurin und Leiterin digitale Inhalte
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