Hinweis

Für dieses multimediale Reportage-Format nutzen wir neben Texten und Fotos auch Audios und Videos. Daher sollten die Lautsprecher des Systems eingeschaltet sein.

Mit dem Mausrad oder den Pfeiltasten auf der Tastatur wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Durch Wischen wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Los geht's

Alzheimer - ein Leben mit dem Vergessen

Logo https://stories.schwaebische.de/alzheimer-acb83601-5e00-4c46-852f-b577cd7d0988

Einstieg

Alle 3,2 Sekunden erkrankt irgendwo auf der Welt ein Mensch an Demenz. Das geht aus einem Bericht der Organisation Alzheimer Disease International hervor. Derzeit sollen weltweit 47 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen sein, in Deutschland leiden rund 1,5 Millionen Menschen an Alzheimer. Experten erwarten, dass sich diese Zahlen bis 2050 verdoppeln werden.
 
Es war der Psychiater und Neuropathologe Alois Alzheimer, der in München die  „eigenartige Krankheit der Hirnrinde“ entdeckt hatte, die später nach ihm benannt wurde. Heute ist  Alzheimer die am weitesten verbreitete Demenzerkrankung.

Zum Anfang

„Honig im Kopf“

Schließen
Der Film handelt von der elfjährigen Tilda (Emma Schweiger) und ihrem Großvater Amandus (Dieter Hallervorden). Amandus wird zunehmend vergesslich und kommt mit dem alltäglichen Leben im Hause seines Sohnes Niko (Til Schweiger) nicht mehr alleine klar.

Niko muss bald einsehen, dass für Amandus der Weg in ein Heim unausweichlich ist. Tilda will sich damit aber nicht abfinden und entführt ihren Großvater auf eine unvergessliche Reise, um ihm seinen größten Wunsch zu erfüllen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir YouTube Videos gezeigt werden. Mehr Informationen

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

Zum Anfang

Das Vergessen verstehen

Der Kinofilm „Honig im Kopf“ wurde zum Kassenschlager mit einem nicht alltäglichen Thema: Altersdemenz. Der mit viel Humor gespickte Film soll dabei helfen, die Krankheit aus der Tabuzone zu führen und die Angst vor Menschen mit Demenz abzulegen.

Wie wichtig das ist, wissen zwei Frauen aus Laupheim, deren Mutter an Alzheimer, der häufigsten Form der Demenz, erkrankt ist. Was das für die Betroffene, aber auch für die Angehörigen bedeutet, haben sie der "Schwäbischen Zeitung" erzählt.
Zum Anfang

Vollbild
„Es fing damit an, dass sie abends die Kartoffeln auf dem Herd vergaß und ins Bett gegangen ist“, erinnern sich Heike L. und Christine S. (Namen von der Redaktion geändert). „Nur weil mein Vater noch ferngeschaut und vor dem Schlafengehen routinemäßig in die Küche gegangen ist, hat er gemerkt, dass der Herd noch eingeschaltet war.“

Monate später die zweite Situation, die den Töchtern im Gedächtnis geblieben ist – und heute in einem ganz anderen Licht erscheint: „Beim Spazierengehen mit ihren Enkeln fiel unserer Mutter ein: Mensch, ich habe das Mittagessen auf dem Herd vergessen. Dann sind alle nach Hause, und tatsächlich: Das Essen stand auf der heißen Platte.“

Anna F. (Name geändert) war zu diesem Zeitpunkt, Anfang des Jahres 2009, knapp über 70 Jahre alt. „An ihrem Geburtstag“, sagen ihre Töchter, „hatten wir noch nichts gemerkt – oder sie hat es gut verbergen können.“ Im Nachhinein, überlegt Christine S., „war vielleicht die Krankheit der Grund, warum sie sich über mein Geburtstagsgeschenk – ich hatte ihr 70 kleine Päckchen gemacht – nicht so euphorisch gefreut hat wie früher.“

Im Laufe des Jahres aber wurden die Symptome allmählich deutlicher. „Sie wusste plötzlich Namen von guten Bekannten nicht mehr“, berichtet Heike L. „Im Herbst 2009 sind wir mit ihr zu einem Neurologen und haben Tests gemacht. Da konnte sie zum Beispiel die Uhrzeigerstellung nicht benennen. Das war eines von mehreren Zeichen für Demenz“, sagt Christine S. „Es gab aber auch Tests, bei denen ich sagen musste: Das hätte ich auch nicht gewusst.“
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Als die Diagnose stand, „war es für uns ein Schock“, erzählen die beiden Frauen, „und unsere Mutter hat geweint, weil sie gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt“.

Anna F. ließ sich auf eine Studie für eine neuartige Therapie ein – die Erkenntnis, dass sie an Alzheimer erkrankt ist, bahnte sich dennoch nur langsam ihren Weg. „Sie ahnte wohl schon, was auf sie zukommt“, sagt Heike L., „aber sie wollte nicht darüber sprechen und versuchte die Krankheit zu vertuschen, wo es ging. Nach dem Vogel-Strauß-Prinzip: Was nicht sein darf, kann nicht sein.“ So mied Anna F. Aufgaben, die sie hätte falsch machen können. „Sie ließ dann halt unseren Vater die Wohnung aufräumen“, erzählt Christine S.

Aber auch der Vater wollte die Erkrankung seiner Frau zunächst nicht wahrhaben. „Es war sehr schwer für ihn. Am Anfang hat er es total verdrängt“, sagt Heike L. „Erst als es schlimmer geworden ist, hat er es realisiert.“ Und litt mit, wenn die Frau nachts durch die Wohnung irrte oder gar das Haus verlassen wollte. „Er hat uns immer wieder gesagt, dass er total fertig sei und sich Tag und Nacht Sorgen mache, wie es weitergehen soll“, berichtet Heike L.

Der Zustand der Mutter wurde schleichend schlimmer, erzählt sie, trotz Medikamenten. Anna F. wurde depressiv, von den Psychopharmaka bekam sie als Nebenwirkung Durchfall und Fructose-Intoleranz. Sie konnte nicht mehr das essen, was ihr schmeckte. „Die Lebensqualität ging verloren“, sagt Christine S., „und das Selbstwertgefühl.“ Einmal habe ihre Mutter beim Spaziergang in die Hose gemacht – und es mitbekommen. „Sie war zutiefst beschämt“, sagt die Tochter, „und ist danach nicht mehr weggegangen.“
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Die Isolation nahm ihren Lauf und verschlimmerte sich, als Anna F. nicht mehr richtig sprechen konnte. „Oft hat sie gemerkt, dass sie was Falsches gesagt hat – und wieder geweint.“

Auch für die Kinder war es eine schwierige Situation. Zu erleben und damit klarzukommen, wie die eigene Mutter sie irgendwann nicht mehr erkennt, ist das Eine. Der Mutter und dem Vater zur Seite zu stehen, ist die andere, ebenso große Herausforderung.

Heike L. und Christine S. kümmerten sich, so gut es ihre eigene berufliche Situation zuließ, intensiv um ihre Eltern. Es ging nicht nur darum, den Vater zu entlasten – „wir mussten ihn auch motivieren, etwas zu unternehmen, unter die Leute zu gehen. Er sagte immer: Wenn es mit Mutter mal wieder besser wird.“ Vermutlich wusste er, dass es nicht mehr besser wird.

Aber da waren die „komischen Blicke“, erzählt Heike L., die Vater und Mutter öfter ernteten, wenn sie unterwegs waren und Anna F. sich in den Augen der Anderen seltsam verhielt. „Für Vati war das schon hart“, sagt Christine S. „Irgendwann sagt man sich dann halt: Bevor wir uns blamieren, gehen wir nicht mehr weg.“

Das ist ein Grund, weshalb sich die beiden Frauen mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit wagen.
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
„Alzheimer darf kein Tabuthema sein“, wünschen sie sich. „Je mehr man darüber weiß, desto besser kann man auf eine Begegnung mit Betroffenen reagieren.“
Diese wiederum sollten sich nicht scheuen, ihr Umfeld zu informieren, denn wenn Nachbarn, Freunde und Bekannte Bescheid wissen, können sie im Notfall helfen anstatt peinlich berührt wegzuschauen. „Dann wissen sie im Zweifel, dass es keine Absicht ist, wenn ein älterer Mensch im Winter ohne Jacke aus dem Haus geht, und können Hilfe holen.“

Als vorbildlich im Umgang mit demenzkranken Menschen nennt Heike L. die Niederlande: „Dort gibt es ganze Alzheimer-Dörfer, in denen auch die Angehörigen wohnen. Es werden dann zum Beispiel Tanztees veranstaltet, bei denen niemand schief angeschaut wird, weil alle Bescheid wissen.“

Auch Heike L. und Christine S. mussten erst lernen, das Vergessen zu verstehen. „Man muss sich über die Krankheit informieren, um zu verstehen, warum sich ein Erkrankter wie verhält“, sagt Christine S. Sie selbst habe gelernt, dass es nicht hilft, wenn man negativ auf bestimmte Verhaltensweisen reagiere: „Immer, wenn wir ihr bei dem, was sie sagte, zugestimmt haben, dann war es gut. Wenn wir zu oft nachgefragt haben, hat sie irgendwann blockiert.“

Ganz wichtig sei es, die erkrankten Menschen so zu akzeptieren und zu respektieren, wie sie sind, Geduld zu haben und sich Zeit zu nehmen. „Wenn man hetzt, ruft man unter Umständen Aggression hervor.“
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Wer sich am Ende seiner Kräfte fühlt, sollte sich auch nicht scheuen, professionelle Hilfe zu holen. „Viele trauen sich das nicht, weil es dann heißen könnte, man sei nicht belastbar“, sagt Heike L. Es gibt zum Beispiel das Angebot der Kurzzeitpflege, die den Angehörigen erlaubt, mal Luft zu holen. Und wenn es gar nicht mehr geht, hilft die Vollzeitpflege. „Es bringt nichts, wenn man sich kaputt macht“, weiß Christine S. „Wir hatten selbst überlegt, eine Pflegekraft ins Haus zu holen – aber das ist schon ein starker Eingriff in die Privatsphäre.“

Schließlich entschieden sie sich für eine Unterbringung in einem Pflegeheim. „Dort kümmerte man sich gut um unsere Mutter“, sagen die beiden Töchter. Weil Anna F. aber immer mehr dazu neigte, orientierungslos umher- und schließlich auch davonzulaufen, half nur noch der Umzug in eine geschlossene Pflegeeinrichtung. „Das war uns lieber als die Psychiatrie, in die man sie vermutlich eingewiesen hätte, wenn die Polizei sie öfter aufgegriffen hätte“, sagt Heike L.

Seit April ist Anna F. wieder im Pflegeheim. „Sie hat keine Weglauftendenz mehr“, erklärt Heike L. Das macht es für sie und ihre Schwester leichter, ihre Mutter zu besuchen. Und auch der Vater ist froh darüber. Das Eigenheim hat er inzwischen verkauft und einen Platz in einer betreuten Wohnanlage gefunden. „Es war nicht leicht für ihn“, sagt Christine S., „aber langsam sieht er ein, dass er dort gut aufgehoben ist.“ Und er weiß, dass seine Frau nicht mehr nach Hause kommen wird.
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Für einen an Demenz erkrankten Menschen werden pro Jahr mehr als 40.000 Euro Pflegekosten fällig. Die Pflegekassen übernehmen nur einen Teil, der Rest belastet die Familien. Viele kommen da schnell an ihre finanziellen Grenzen, wenn sie nichts gespart oder nicht durch eine Pflegeversicherung vorgesorgt haben.

Nicht alle sind so gut ausgestattet wie Anna F. und ihre Familie. „Unsere Mutter hatte einiges gespart, und wir haben das Haus verkauft. Damit kommen wir einigermaßen hin. Ohne dieses Geld wäre eine vernünftige Pflege nicht möglich gewesen“, sagen die beiden. Wer nichts auf der hohen Kante hat, dem raten sie dringend zu einer Pflegeversicherung. Denn wie schnell jemand zum Pflegefall werden kann, haben sie hautnah erlebt.
Schließen
Zum Anfang

„Still Alice“

Schließen
Mit Anfang 50 bemerkt die Linguistin Dr. Alice Howland (Julianne Moore) erste Veränderungen. Sie leidet gelegentlich an Orientierungslosigkeit und vergisst während ihrer Vorträge einzelne Begriffe. Daraufhin lässt sie sich in einer Klinik testen. Die neurologische Untersuchung bringt zu tage, dass Alice unter Alzheimer leidet. Diese Gewissheit schockt nicht nur sie und ihren Mann, sondern auch die drei gemeinsamen Kinder. Es stellt sich heraus, dass ihre älteste Tochter Anna, die gerade mit Zwillingen schwanger ist, das Alzheimer-Gen geerbt hat.
Ich bin damit einverstanden, dass mir YouTube Videos gezeigt werden. Mehr Informationen

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

Zum Anfang

Alois Alzheimer

Auguste Deter im Februar 1902. (Foto: Wikicommons)
Auguste Deter im Februar 1902. (Foto: Wikicommons)
Vollbild
„Wie heißen Sie?“ - „Auguste.“ - „Familienname?“ - „Auguste.“ - „Wie heißt ihr Mann?“ - „Ich glaube Auguste.“

Dieser Dialog schreibt Medizingeschichte. Als Auguste Deter 1901 von ihrem Mann verwirrt und orientierungslos in die Anstalt gebracht wird, ist sie 51 Jahre alt. Ihr Gedächtnisverlust gibt den Ärzten Rätsel auf - und fasziniert den Psychiater Alois Alzheimer.

Er dokumentiert Gespräche und Beobachtungen, untersucht nach ihrem Tod ihr Hirn unter dem Mikroskop - und entdeckt einen massiven Zellschwund und ungewöhnliche Ablagerungen. Alzheimer ist überzeugt, dass diese Veränderungen mit dem Gedächtnisschwund der Patientin zu tun haben. Ihre Krankheit wird nach seinem Tod nach ihm benannt. Er stirbt mit 51 Jahren, knapp jünger als seine Patientin. 

Heilen können sie Alzheimer bis heute nicht - obwohl weltweit daran geforscht und „irrsinnige Geldsummen“ ausgegeben werden, wie Christian Haass vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen sagt.

Auguste Deter im Februar 1902. (Foto: Wikicommons)
Auguste Deter im Februar 1902. (Foto: Wikicommons)
Schließen
Zum Anfang

Alois Alzheimer (Foto: Wikicommons/History of Medicine (NLM))
Alois Alzheimer (Foto: Wikicommons/History of Medicine (NLM))
Vollbild
Alois Alzheimer stammt aus dem unterfränkischen Marktbreit. Der Sohn des Notars Eduard Alzheimer und seiner Frau Theresia studiert Medizin in Berlin, Tübingen und Würzburg.

Als Assistenzarzt der Frankfurter Städtischen Heilanstalt für Irre und Epileptische trifft er Auguste.
 
Auch als er in München das Hirnanatomische Laboratorium an der Psychiatrischen Klinik leitet, verfolgt er den Verlauf bei Auguste.

Nach ihrem Tod am 8. April 1906 lässt er sich ihr Gehirn schicken.

Als Alzheimer ein halbes Jahr später bei der 37. Versammlung Südwestdeutscher Irrenärzte erstmals über das Krankheitsbild und einen „eigenartigen schweren Erkrankungsprozess der Hirnrinde“ berichtet, werten seine Kollegen das als Kuriosität. Gedächtnisverlust bei Jüngeren war selten. Und warum Großmutter und Großvater so vergesslich waren, hinterfragte damals niemand.
Alois Alzheimer (Foto: Wikicommons/History of Medicine (NLM))
Alois Alzheimer (Foto: Wikicommons/History of Medicine (NLM))
Schließen
Zum Anfang

Forschung

Bei Alzheimer sterben Hirnzellen ab. Das Gedächtnis geht verloren, das Wesen wird verändert. Im fortgeschrittenen Stadium weiß ein Patient nicht, wo er sich befindet und wer er ist. Viele Erkrankte erkennen ihre Angehörigen nicht mehr, manche werden aggressiv. Oft ist eine Beaufsichtigung rund um die Uhr nötig.
 
Aber immer noch ist unklar, was bei einer Alzheimer-Erkrankung tatsächlich im Gehirn passiert. Bekannt ist nur, dass Eiweißablagerungen aus Beta-Amyloid und Tau-Protein für diese Erkrankung charakteristisch sind.

Diese Peptide lagern sich im Hirn an und stören die Reizübertragung zwischen Hirnzellen. Weil die Gehirnzellen es nicht schaffen, diese Beläge loszuwerden, werden die Hirnzellen nach und nach funktionsuntüchtig und sterben ab.

Zum Anfang
Wer bemerkt, dass sein Gedächtnis sich verschlechtert, sollte so früh wie möglich zum Arzt gehen, um den Auslöser der Vergesslichkeit abzuklären, rät die Alzheimer Forschung Initiative. Das gilt besonders, wenn in der Familie bereits mehrere Alzheimer-Erkrankungen aufgetreten sind – dies kann ein möglicher Hinweis auf eine erblich bedingte Form von Alzheimer sein.

Gedächtnisprobleme können auch andere Ursachen haben, beispielsweise eine Depression, eine Unterfunktion der Schilddrüse, ein Mangel an Folsäure oder eine Erkrankung der Leber können ähnliche Symptome wie eine Demenz hervorrufen – und lassen sich bei Früherkennung meist gut behandeln, gar heilen.

Doch auch im Falle einer nicht heilbaren Alzheimer-Erkrankung ist es wichtig, so früh wie möglich mit der Therapie zu beginnen. Denn Studien haben gezeigt, dass eine Änderung des Lebensstils, das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann.

Dies gilt auch bei der Prävention: Eine gesunde, mediterran ausgerichtete Ernährung, reichlich Bewegung, geistige Aktivität und ein reges soziales Leben können das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, mindern.
Zum Anfang
Diagnostiziert wird Alzheimer klinisch: Nach Gesprächen zwischen Arzt und Patient sowie dessen Angehörigen werden mithilfe der Differentialdiagnostik zunächst andere Demenzerkrankungen ausgeschlossen. Außerdem werden europsychologische Testverfahren durchgeführt.

Andere Zusatzuntersuchungen, etwa die Untersuchung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, werden zusehends wichtiger. Forscher weltweit versuchen, neue Diagnose-Verfahren zu entwickeln, die sicherer, kostensparender und trotzdem leicht verfügbar sind. Dabei wird vor allem nach sogenannten Biomarkern gesucht, die die Alzheimer-Krankheit früh anzeigen.

Ein Heilmittel gegen Alzheimer gibt es bislang nicht - auch weil die genauen Krankheitsmechanismen bisher noch nicht vollständig geklärt sind.

Medikamentös behandelt werden momentan hauptsächlich Patienten, die bereits Alzheimer-Symptome zeigen. Dabei können Präparate diese Symptome meist lindern.

Weil es jedoch von den ersten Veränderungen bis zum endgültigen Ausbruch der Krankheit bis zu 20 Jahre dauern kann, bemüht sich die Forschung mittlerweile darum, den Krankheitsverlauf bereits im Frühstadium zu verlangsamen.

Die drei Arten von Wirkstoffen - Antidementiva, Neuroleptika und Antidepressiva – bilden die Basistherapie der Alzheimer-Demenz. Darüber hinaus entwickelt die Grundlagenforschung weitere Präparate, zum Beispiel einen koffeinhaltigen Wirkstoff, da Studien gezeigt haben, dass Kaffee- und Tee-Trinker in höherem Alter ein geringeres Alzheimer-Risiko haben.
Zum Anfang
Wissenschaftler setzten bei der Alzheimer-Krankheit die größten Hoffnungen auf eine Impfung. „Man kann den Gedächtnisverlust mit der Impfung aufhalten“, fasste Christian Haass, Leiter des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen, entsprechende Studienergebnisse zusammen.

Eine Prognose, wann Alzheimer gut behandelt oder gar geheilt werden könne, sei aber nicht möglich. Zwar handelt es sich bei Alzheimer nicht um eine Infektion, der Mechanismus der Impfung funktioniert aber ähnlich, nämlich über eine Immunisierung gegen das Peptid Amyloid. Dieses bildet als Abbauprodukt im Gehirn Eiweiß-Plaques, die den Gedächtnisverlust verursachen.
 
Nach der Impfung aktivieren Antikörper Fresszellen, die die Plaques entfernen. Bei Mäusen habe sich gezeigt, dass die Plaques durch die Impfung aufgelöst werden, sagte Haass.

Dieses Ergebnis hätten auch erste Studien an Patienten erbracht, jedoch habe sich Gedächtnisverlust bei bereits länger erkrankten Patienten nicht stoppen lassen. Bei der Immunisierung in einem frühen Stadium habe der Gedächtnisverlust hingegen gestoppt werden können. „Wenn wir den Zeitpunkt verpasst haben, bei dem die Kettenreaktion beginnt, ist es zu spät“, sagte Haass.


Zum Anfang

„Small World“

Schließen
Der nach dem gleichnamigen Roman von Martin Suter entstandene Film ist eine Kriminalgeschichte, die mit dem Portrait eines an Alzheimer erkrankten Mannes verbunden wird. Konrad, gespielt von Gérard Depardieu, ist der Elefant in dem Porzellanladen Familie, der krankheitsbedingt die Ordnung der Familie durcheinanderbringt. Vor allem Elvira, das großmütterliche Oberhaupt der Familie, gefallen die von Konrad zur Erinnerung gebrachten Kindheitserlebnisse innerhalb der Familie nicht.
Ich bin damit einverstanden, dass mir YouTube Videos gezeigt werden. Mehr Informationen

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

Zum Anfang

An den Grenzen der Belastbarkeit

Aufgefallen ist es ihr, als sie das Wohnzimmer renovierten. Ihr Mann, ein Handwerker, bekam plötzlich nichts mehr auf die Reihe. Das machte die Kemptenerin stutzig. „Wenn wir fertig sind mit allem, gehen wir zum Arzt“, sagte sie zu ihm. Und fügte im Scherz an: „Du wirst doch nicht Alzheimer haben.“

Fünf Jahre ist das her. Damals war er 65. Und bekam die Diagnose Alzheimer. Heute kann seine Frau ihn gerade ein paar Minuten allein lassen, muss ihn waschen und den Haushalt allein schmeißen. Früher hat er das gemacht. Jetzt hat er vergessen, wie das geht.
Zum Anfang

Vollbild
Für seine Frau ist das alles „wahnsinnig schwer“ und sehr kräftezehrend. Schließlich kann sie seit Jahren nur zusehen, wie ihr Partner hilfloser wird. Und doch käme für sie nichts anderes infrage: „Wir sind seit über 40 Jahren verheiratet. Da muss ich doch für ihn da sein.“

Und wer ist für die 64-Jährige da? Wer hilft den vielen Menschen, die daheim ein Familienmitglied pflegen? Fachstellen für pflegende Angehörige, wie sie die Caritas in Sonthofen und in Zusammenarbeit mit der Alzheimer Gesellschaft Allgäu in Kempten bietet. Sie haben viel zu tun. Immerhin werden in Bayern weit mehr als 70 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause betreut.

Die ersten drei Jahre nach der Diagnose, sagt die heute 64-Jährige, seien noch gegangen. Gemeinsam unternahm das Ehepaar viel, machte Ausflüge in die Berge. Dann fing es an. Stundenlang wartete sie oft auf ihn, weil er auf Wegen, die er jahrzehntelang kannte, nicht mehr heim fand. Schon etwas davor gab sie ihren Job auf, weil klar war: Alleine konnte sie ihn nicht zu Hause lassen.
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Mittlerweile ist es ein 24-Stunden-Job für sie, der ihr seit Jahresbeginn wenigstens etwas erleichtert wurde: Seitdem bekommt sie mehr Pflegegeld und kann ihren Mann immerhin dreimal die Woche in die Tagespflege geben. Dennoch: „Es ist ein permanenter Stress“, sagt sie.

Und das nicht nur, weil sie sich ständig kümmern muss. Nicht nur um ihren Mann, sondern auch um das Organisatorische. Das Pflegegesetz gleicht einem Dschungel, alles muss man sich erkämpfen. Aktuell beispielsweise hat ihr Mann nur Pflegestufe eins. „Weil er ja nicht pflegebedürftig ist. Aber doch total hilflos.“

Und dann sind da die Schuldgefühle. Wenn sie ihn anherrscht, weil seine Vergesslichkeit und die Hilflosigkeit manchmal einfach nur nerven. Sie aber gleichzeitig weiß, dass er doch nichts dafür kann. Und weil sie sich lange Zeit schlecht gefühlt hat, wenn sie ihn in Pflege gab, um mal mit einer Freundin Urlaub zu machen. Weil sie einfach nicht mehr konnte. Und doch sei es, sagt sie, ein Gefühl, wie wenn sie ihn im Stich lasse.

Ein Gefühl, das viele pflegende Angehörige kennen, haben Anja Kühbeck von der Fachstelle für pflegende Angehörige der Caritas Kempten-Oberallgäu und Gisela Schmitz von der Beratungsstelle für pflegende Angehörige der Alzheimergesellschaft Allgäu festgestellt. Das Loslassen, die Verantwortung mal abzugeben, fällt vielen Angehörigen schwer. Und gelingt oft erst, wenn die Belastungsgrenze überschritten ist. Dabei, sagen Kühbeck und Schmitz, sei es so wichtig, auch mal durchzuatmen.
Schließen
Zum Anfang

Vollbild
Die Fachstellen haben dafür verschiedene Angebote. Freiwillige Demenzhelfer beispielsweise, die mal stundenweise übernehmen können. Oder auch Treffen für die Angehörigen. Damit sie sehen, dass sie nicht allein sind. Um sich gegenseitig Tipps zu geben oder einfach mal alles rauszulassen, was sie in ihrem Alltag belastet.

Auch die 64-Jährige nutzt diese Angebote mittlerweile gern. Doch das hat eine Weile gedauert. „Die ersten Jahre musste ich sofort losheulen, wenn ich darüber sprechen sollte“, sagt sie. Die Krankheit zu akzeptieren, sei das schwerste für sie gewesen.

Und wie sieht der Plan für die Zukunft aus? Was, wenn ihr Mann nicht mehr nur rund um die Uhr betreut werden muss? Wenn er etwa bettlägerig wird? „Dann wird er in ein Pflegeheim müssen, denn das“, sagt sie leise, „kann ich dann nicht mehr.“ Auch, wenn sie sich schuldig fühlen wird. Gisela Schmitz dagegen macht ihr Mut: „Gut. Man muss seine Grenzen kennen.“ Sonst könne es einen kaputt machen.
Schließen
Zum Anfang

„Iris“

Schließen
England in den 1950er-Jahren: In Oxford begegnet die junge, lebenshungrige Iris Murdoch (Kate Winslet) John Bayley, einem schüchternen, jungen Mann, der sich mehr für Literatur als für Frauen interessiert. Beide heiraten. Sie sind seit mehr als 40 Jahren miteinander verheiratet. Doch der Eindruck des perfekten Lebens trügt: Iris (Judi Dench) ist besorgt; wieder und wieder vergisst sie Dinge oder verliert den Faden. Sie ist an Alzheimer erkrankt.
Ich bin damit einverstanden, dass mir YouTube Videos gezeigt werden. Mehr Informationen

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

Zum Anfang

Hilfe und Beratung

Wenn die Diagnose Alzheimer gestellt wird, ist das ein Schock. Wichtig ist, sich emotional auf die Erkrankung einzulassen, aber sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen ist das eine schwierige Aufgabe, die Zeit braucht. Darauf weist die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) in ihrem Ratgeber „Leben mit der Diagnose Alzheimer“ hin.
 
Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger Verein. Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeld Forschungsprojekte engagierter Alzheimer-Forscher und stellt kostenloses Informationsmaterial bereit.
www.alzheimer-forschung.de

Auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet zahlreiche Broschüren und Informationsmaterialien an. Die Gesellschaft und ihre Mitgliedsgesellschaften sind Selbsthilfeorganisationen. Sie setzen sich bundesweit für die Verbesserung der Situation von Demenzkranken und ihrer Familien ein.
https://www.deutsche-alzheimer.de/

Seit 2002 gibt es das Alzheimer-Telefon. Unter der bundesweiten Rufnummer 030/259379514 werden Angehörige, Betroffene und alle Ratsuchenden montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr und freitags von 9 bis 15 Uhr beraten.

Beratung in türkischer Sprache gibt es mittwochs von 10.00 bis 12.00 Uhr unter 030/259 37 95 14. 

Der Welt-Alzheimertag macht seit 1994 jeweils am 21. September weltweit auf die Situation der Alzheimerkranken und ihrer Angehörigen aufmerksam. Der Welt-Alzheimertag wird von der Dachorganisation Alzheimer’s Disease International unterstützt.
Zum Anfang
Texte: Ingrid Augustin, Reiner Schick, Sabine Beck, dpa

Fotos: dpa, Colourbox, Filmverleihe

Umsetzung: Ingrid Augustin

Kontakt: Schwäbische.de
Karlstraße 16
88212 Ravensburg
online@schwaebische.de

Copyright: Schwäbische Zeitung 2015, 2018 - alle Rechte vorbehalten





Zum Anfang
Scrollen, um weiterzulesen Wischen, um weiterzulesen
Wischen, um Text einzublenden