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Bewusst kinderlos: Drei Frauen erzählen ihre Geschichte zur Sterilisation

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Für Jasmin Hawlicek, war schon früh klar, dass sie
keine eigenen Kinder möchte. Sie wollte schon seit
ihren Teenagerjahren Karriere machen, ohne Kinder.
Mit 18 Jahren hat sie dieses Thema zum ersten Mal bei ihrer Gynäkologin angesprochen. „Sie hat mich ausgelacht und mich überhaupt nicht ernst genommen.“

Doch Jasmin wollte nicht nur sterilisiert werden, sie fragte ihre Gynäkologin „ob man sich die Gebärmutter nicht einfach entfernen lassen kann“.
Sie bräuchte sie ja sowieso nicht. Doch die Frauenärztin erklärte der heute 29-Jährigen: „Später wirst du natürlich Kinder haben wollen. Jede Frau will das!“
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Doch Jasmin wollte nicht. „Mit Anfang 20 bin ich dann nach Berlin gezogen und habe festgestellt, es gibt ganz andere Lebensmodelle als Haus, Frau, Mutter, Kind, Hund.“ Alle anderen Verhütungsmittel, um Kinder zu bekommen, probierte sie aus. Pille vertrug sie nicht. Spirale, Verhütungszäpfchen, Verhütungspflaster wurden ihr vorgeschlagen, wollte sie nicht. Das war dann auch der Zeitpunkt für sie, sich mit der Sterilisation auseinanderzusetzen.
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„Dann ging meine Gynäkologie-Reise los, bei der ich von Gynäkologie zu Gynäkologie bin.“ Den eigenen Wunsch erfüllt zu bekommen, war gar nicht so leicht, die Gründe, wieso ihr die Sterilisation verwehrt blieb, waren vielseitig. „Es hatte jeder andere Altersgrenzen und Bedingungen. Von mindestens einem Kind, zu mindestens zwei Kindern, zu mindestens 25 Jahre alt bis mindestens 35 Jahre alt war alles dabei.“ Aber auch Sätze seien gefallen wie: „Das wird kein Arzt in Deutschland machen. Das ist illegal.“

Die meist genannte Aussage war aber, dass sie damals zu jung sei, um überhaupt diese Entscheidung treffen zu können. Für sie ein zweifelhafter Grund. „Ich könnte mich jetzt für ein Kind entscheiden. Ich darf mich aber nicht gegen Kinder entscheiden?“
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Es gab aber auch Ärzte, die es ihr aus medizinethischen Gründen verweigerten. „Mit der Antwort kam ich am besten klar, und wenn sie sagten, sie könnten das nicht vertreten, finde ich das völlig in Ordnung“.

Aber entmutigen ließ sie sich nicht. Sieben Jahre musste sie nach einer Gynäkologie suchen, die sie behandeln wollte. „Mit 25 habe ich endlich die Ärzte gefunden, die mich sterilisieren wollten, leider genau in der Corona-Zeit, wo alle ambulanten OPs abgesagt wurden.“ Auch die von Jasmin wurde drei Tage vor dem Termin abgesagt. So kurz vor dem Ziel war dies ein herber Rückschlag für die Wahl-Rostockerin. „Das war schon ein richtig mieses Gefühl“, erzählt sie.
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Für Frauen sind Rückschläge bei der Suche nach Ärzten, die sterilisieren, keine Besonderheit. Der gemeinnützige Verein Selbstbestimmt steril unterstützt Frauen in ganz Deutschland dabei, entsprechende Ärzte zu finden. Er schafft auch eine Austauschmöglichkeit für betroffene Frauen. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass nicht nur Jasmin für ihre Sterilisation kämpfen musste. Durch den Verein konnte letzlich nicht nur sie einen Arzt für sich finden, sondern auch die 24-jährige Inga P. aus Schönberg.
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Für Inga war ebenfalls schon lange klar, dass sie keine eigenen Kinder möchte. „Natürlich hab ich auch mit Puppen gespielt und meinen Kinderwagen durch die Gegend geschoben, aber das fand ich nicht so toll. Mein Fokus lag immer mehr bei Tieren“, erklärt sie. So richtig präsent wurde das Thema Kind aber, als sie eine Teenagerin war. Sex, Verhütung und Kinder kriegen war auf einmal ein wiederkehrendes Thema. „Dabei fiel mir auf, dass mir Kinder auf die Nerven gegangen sind.“

Auch in ihrer mittlerweile fünfjährigen Beziehung war das Thema präsent. Sie erklärte ihm, sollte er Kinder wollen, dann nicht mit ihr. Er wollte nicht. Die Vasektomie von ihm stand im Raum.  
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Doch für die 24-Jährige stand fest: „Ich will mich sterilisieren lassen.“ Denn eine ungewollte Schwangerschaft wäre für sie ein großer Albtraum. „Ich hab den größten Respekt davor, dass Frauen freiwillig schwanger werden, aber ich möchte das für mich nicht.“

Sie hatte Glück, ihre Gynäkologin unterstützte ihre Entscheidung, hielt sie aber dennoch an, sich das nochmal genau zu überlegen. Beim nächsten Vorsorgetermin hatte sich nichts verändert. „Ich war so nervös davor, das anzusprechen“, erzählt die 24-Jährige. Sie hatte sich vorbereitet, und alle ihre Argumente gegen Kinder und für ihre Entscheidung parat. Doch die brauchte sie gar nicht. „Das war ein gutes Gefühl“. Aus dem Termin ging sie mit einer Überweisung, einer Empfehlung für eine gute Klinik in Hamburg und einem guten Gefühl nach Hause.
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Also ging eine E-Mail mit einer Terminanfrage und allen Daten an die Klinik. Der Vorsorgetermin wurde bestätigt. Sie fuhr hin. Dann kam die Ernüchterung. Sie sei zu jung, die Klinik operiere sie nicht. Sie könne aber mal über die Spirale nachdenken. „Das hat mich ganz schön fertig gemacht und auch mehrere Wochen beschäftigt. Ich habe mich deswegen auch erstmal nicht getraut, woanders anzufragen.“

Nachvollziehen kann sie die Ablehnung nicht. „Ich könnte ja jetzt auch einfach drei Kinder bekommen, da würde auch niemand kommen und fragen, ob ich mir das gut überlegt habe.“ Sie sei nicht ernst genommen worden. „Ich habe mich bevormundet gefühlt, wie ein kleines Kind, das noch keine wichtigen Entscheidungen treffen kann.“
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Doch ihr Wunsch und Wille nach Sicherheit für ihre Zukunft siegt. Ihr hilft die interaktive Karte von Selbstbestimmt steril. So stößt sie auf eine Klinik in Schleswig-Holstein, die auch Sterilisationen anbietet. Sie geht wieder gleich vor und schreibt eine E-Mail mit der Anfrage. „Ich musste dort nochmal anrufen, aber habe deren OK bekommen, dass eine Operation möglich ist.“

Recht schnell gab es den Termin, der zu Ingas Überraschung auch direkt einen Ultraschall, weitere notwendige Check-ups, ein Kennenlernen mit Ärzten und Anästhesisten und einen OP-Termin beinhaltete. Keine zwei Monate später war es dann für sie so weit und die ambulante Operation konnte stattfinden, für knapp ein Drittel des Hamburger Preises.

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Die Operation lief gut. Noch am selben Tag wurde sie von ihrem Freund wieder abgeholt und zurück nach Hause gebracht. Körperliche Befindlichkeiten hatte sie kaum, außer Schulterschmerzen. Doch ihre Psyche sah da etwas anders aus. „Durch diese Operation fühle ich mich richtiger! Ich bin jetzt viel entspannter.“ Mittlerweile empfehle ich die Klinik jeder Person weiter, die sich die Sterilisation auch überlegt. Vier Empfehlungen seien es schon in den ersten drei Monaten gewesen.

Wie viele Frauen jährlich sich für eine Sterilisation in Deutschland entscheiden, ist nicht klar. „Ambulante Daten liegen uns nicht vor. Uns ist auch keine Quelle bekannt, die über entsprechende Daten verfügt“, schreibt auf Nachfrage die Pressesprecherin des Statistischen Bundesamtes, Sabine Nemitz.
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Sowohl Jasmin als auch Inga sind beide sterilisiert. Eine Operation, die für die 36-jährige Claudia Haberlandt in Kürze ansteht. Die gebürtige Nordwestmecklenburgerin wohnt mittlerweile in Hamburg, ist selbstständig und hat sich erst vor Kurzem für den aktiven Schritt zur Sterilisation entschieden. Durch einige ihrer Freundinnen hat sie Kinder in ihrem Leben, „die liebe ich auch sehr“, erzählt sie. Aber dennoch ist für Claudia seit Jahren klar, dass sie keine eigenen Kinder möchte.
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„Wenn ich in den letzten Jahren in die Heimat gefahren bin, wurde ich regelmäßig gefragt, wann ich endlich mal einen Partner finde, endlich ankomme, ein Haus baue oder Kinder habe.“ Als sie ihren Freund kennenlernt, der ebenfalls keine Kinder möchte, ist recht schnell klar, dass die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmethoden keine Optionen mehr für die 36-Jährige sind. Sterilisation und auch die Vasektomie waren deswegen im Gespräch. „Aber ich habe gemerkt, es geht um meinen Körper und die Entscheidung möchte ich für mich und meinen Körper treffen.“
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Ihre Sterilisation steht kurz bevor, und auch das mit einigen Hindernissen. Ihr erster Versuch in einer Hamburger Klinik brachte zwar den erhofften Termin, aber auch einen teuren. Über 1300 Euro soll sie die Operation kosten, mehr als im bekannten deutschen Durchschnitt. In den Helios Kliniken in Schwerin findet sie einen Ersatz, nahe an der Familie und fast in der Heimat. Ein gutes Gefühl für die 36-Jährige.

Jedoch operieren die Helios Kliniken in Schwerin nur mit Überweisung der Frauenärztin, und die stellte sich quer. Denn Sterilisation unterstütze sie nicht, wie Claudia erzählt. „Sie ist nach wie vor der Meinung, ich hätte noch Zeit, meine Entscheidung zu ändern.” Claudia hat sich aber entschieden, ihre Sterilisation wird trotzdem stattfinden, nur eben in Hamburg.
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Letztlich ließ sich Claudia nicht von den Hürden aufhalten – ihre Entscheidung stand fest, auch ohne die Unterstützung ihrer Frauenärztin. Sie und die anderen Frauen zeigen, dass eine Sterilisation in Deutschland möglich ist, wenn auch oft mit Widerständen verbunden. Jasmin teilt ihre Geschichte mittlerweile sogar auf Instagram unter dem Nutzernamen childfree.rebel. Dort bekommt sie auch einige Kommentare von Menschen, die sie nicht verstehen, aber sie erklärt: „Ich bin wirklich glücklich mit meiner Entscheidung, mittlerweile habe ich mir sogar meine Gebärmutter entfernen lassen.“
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