Braunaus schwieriges Erbe
Nun will Österreichs Regierung das Geburtshaus Hitlers enteignen. Mitte Juli stimmte der Ministerrat für einen Gesetzentwurf, mit dem die bisherige Eigentümerin enteignet und das Gebäude in Staatsbesitz überführt werden soll.
Rund 4800 Euro monatlich zahlt die Republik Österreich als Hauptmieter. Und das seit den 70er Jahren - aus Angst, dass das Gebäude in "falsche Hände geraten" könnte.
Seit den 80ern steht ein Mahnstein auf dem Gehsteig vor dem Haus. Sonst erinnert kaum etwas an Hitler, an die NSDAP, an die Vergangenheit.
Doch der spätere Wohnort Hitlers hat längst nicht den Stellenwert, den das Geburtshaus "Salzburger Vorstadt" erreichte.
"Es ist hier ein Kind geboren worden und kein Verbrecher. Der Verbrecher wurde anderswo gemacht." (Florian Kotanko)
"Es ist hier ein Kind geboren worden und kein Verbrecher. Der Verbrecher wurde anderswo gemacht." (Florian Kotanko)
1936 beginnt die Familie laut dem österreichischen Nachrichtenmagazin „Profil“ mit einer erfolgreichen Vermarktung des Hauses: Das Zimmer Hitlers wird zum Museum umgestaltet. Das Haus in Braunau wird zur Touristenattraktion, zur Pilgerstätte für Hitler-Anhänger.
Für Hitler selbst hat sein Geburtshaus keine große Bedeutung. Nur einmal kehrt er zurück: Am 12. März 1938 marschiert er mit der deutparliamentschen Wehrmacht in Österreich ein, durchquert als erstes die 16000- Einwohner-Stadt Braunau an der deutsch-österreichischen Grenze. Er fährt an seinem Geburtshaus vorbei, stehend, ohne auszusteigen.
Zwei Monate später erwirbt Martin Bormann, Privatsekretär Hitlers und Vermögensverwalter der NSDAP, im Auftrag der Partei das Gebäude. Die Partei investiert in die Sanierung des Gebäudes, eine Volksbücherei und Galerie werden eingerichtet, das Geburtszimmer Hitlers wird originalgetreu wieder hergestellt und massenhaft werden Ansichtskarten von Haus und „Kinderzimmer“ unters Volk gebracht.
"Es handelt sich um ein unerwünschtes Erbe und man hat es irgendwie aufs Auge gedrückt bekommen. Und jetzt ist die Frage, wie geht man damit um?" (Florian Kotanko)
Und auch heute wird ihm kaum eine Bedeutung beigemessen. Für viele der Braunauer ist es "ein ganz normales Haus". Auch die von Medien verbreitete Nachricht, dass Braunau Anziehungspunkt für Besucher aus der rechtsradikalen Szene sei, entspricht laut Kotanko nicht der Realität. "Es sind hauptsächlich Touristen, die wissen, dass Adolf Hitler hier geboren wurde. Die schauen sich das Haus an, haben mit der Ideologie überhaupt nichts zu tun. Natürlich kann es sein, dass der ein oder andere mit neonazistischen Gedankengut vor dem Haus steht - aber es gibt keine Demonstrationen oder Kranzniederlegungen."
Dennoch stellt sich den Braunauern immer wieder die Frage, wie mit dem Erbe umzugehen ist.
Eben diese Vorschläge sorgen derzeit für Gesprächsstoff. Was wird aus dem Haus? Museum, Integrationsbüro, Stadtbücherei, Behördenstandort oder doch Abriss? In Braunau wird debattiert.
In der Bevölkerung gibt es unterschiedliche Meinungen zum zukünftigen Umgang. Kotanko plädiert für eine Weiternutzung des Hauses und spricht von einer "Entmystifizierung" des Hauses:
Impressum
Anja Reichert, Nadine Sapotnik
Bilder und Videos
Anja Reichert, Nadine Sapotnik
Verein für Zeitgeschichte Braunau
Parlamentsdirektion/Peter Korrak
Photo Ernesto bv
Verantwortlich
Yannick Dillinger
Kontakt
www.schwäbische.de