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Das Federseemoor - ein gigantischer CO2-Speicher

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Das Federseemoor ist ein für ganz Europa wichtiges Naturreservat - und ein gigantischer CO2-Speicher.

Experten gehen davon aus, dass jeder Hektar geschütztes Moor jährlich rund neun Tonnen CO2 einspart. In etwa so viel, wie jeder von uns im Durchschnitt jährlich verursacht. 

Diese Erkenntnis dringt langsam durch. Naturschutz und Wohlstand standen über viele Jahrzehnte in einem Widerspruch zueinander - und tun es bisweilen auch heute noch.   

Moore haben eine enorme ökologische Bedeutung. Wenn ihr Schutz nicht gelingt, wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen, sind sich Experten einig.  
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So klingt die Stimme des im Schnitt 13 Zentimeter großen Braunkelchens.

Der Singvogel mit seinem kontrastreichen Gefieder war vor rund 100 Jahren in vielen Ecken der Region zu hören.

Doch dann verstummte er vielerorts, weil sein Lebensraum schwand. Der Vogel steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. 

„ Am Federsee hat der hübsche Wiesenvogel heute sein größtes Vorkommen im Land“, erzählt der Leiter des Naturschutzzentrums Federsee in Bad Buchau, Jost Einstein.

Die Hälfte der Braunkehlchen in Baden-Württemberg brütet hier: „Ganz gegen den allgemeinen Trend ist hier die Population auf 100 bis 150 Brutpaare gewachsen.“

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Diese Entwicklung liegt vor allem daran, dass für den überwiegenden Teil des Federseemoors mittlerweile ein strenger Naturschutz gilt.

Mit ihren  33 Quadratkilometern ist die Landschaft das größte zusammenhängende Moorgebiet im Südwesten.

Mehr als 700 Pflanzen-, 600 Schmetterling- und 275 Vogelarten haben hier (wieder) eine Heimat gefunden.
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Flächen in und um das Moor dienten über viele Jahrhunderte als wichtige Einnahmequelle. Etwa für Jagd, Fischfang und Viehzucht.

Vor 200 Jahren wurden große Teile des Moorgebiets für die Landwirtschaft entwässert, wie Jost Einstein erläutert.

Ein Schritt, der eine folgenschwere Kettenreaktion in Gang setzte: Denn Trocknen Moore aus, gelangt in den Untergrund Sauerstoff.

Dabei oxidiert der vorher gebundene Kohlenstoff und entweicht als Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre.

„Das ist ähnlich wie bei einem Kompost. Je besser er durchlüftet ist, umso schneller zersetzt sich die organische Substanz“, sagt Einstein.

In kürzester Zeit entweichen verhältnismäßig große Mengen des klimaschädlichen Gases.

Auch für den Torfabbau wurden Moore entwässert. Im großen Stil praktizierte dies die Bevölkerung ab 1850, weil nach dem Bau der Bahnstation Schussenried der Torf besser abtransportiert werden konnte.

Lange Zeit wurde die württembergische Staatseisenbahn (Ulm – Friedrichshafen) unter anderem mit Federsee-Torf beheizt, so Einstein weiter. Bis in die 1960er-Jahre gab es Torfabbau in der Federseeregion.

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Der Naturschutz am Federsee feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Doch die Bemühungen zum Erhalt der Landschaft begannen weit früher.

1911 kaufte die Nabu-Gründerin Lina Hähnle 16 Hektar Riedflächen, womit sie quasi den Grundstein legte. 1939 wurden dann 14,1 Quadratkilometer zum Naturschutzgebiet erklärt.

In den folgenden Jahren sollten weitere Flächen folgen. „Die Landwirte haben natürlich nicht ihre guten Flächen hergegeben“, sagt Einstein.

Sie hätten mit dem verkauften Land schlichtweg nichts mehr anfangen können. Denn ist der Torf einmal weg, wachse auf dem Untergrund kaum noch etwas: „Die Standfestigkeit fehlt.“





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Jost Einstein rechnet damit, dass auch die restlichen landwirtschaftlich- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen im Moor bald nicht mehr nutzbar sind.

„Untersuchungen des Geologischen Landesamts zeigen, dass auf den entwässerten Flächen im Federseemoor jedes Jahr fünf Millimeter Torf verloren gehen. 17 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar entweichen so jedes Jahr in die Atmosphäre“, sagt Einstein. Die entwässerten Randbereiche des Federseemoors setzen CO2 frei, die feuchten zentralen Bereiche speichern CO2.

In wenigen Jahrzehnten sei kein Torf mehr vorhanden. Umgekehrt dauere die Bildung von einem Meter Torf etwa 1000 Jahre.       
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Die Zersetzung des Torfs hat auch für die Archäologie bittere Folgen. Zersetzt sich der Torf, zersetzen sich auch die Jahrtausende alten Relikte.

Ein wassergesättigter Torfboden konserviert sozusagen organische Substanzen wie etwa Kleidung über mehrere Tausend Jahre.

Das Federseemoor gilt als das fundreichste Moor in Europa. Immer wieder entdecken Archäologen hier Schätze aus der Jung- und Bronzesteinzeit.
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Auch vor diesem Hintergrund hat das Regierungspräsidium Tübingen zwischen 1997 und 2014 zwei große Projekte am Federsee verwirklicht.

Entwässerungsgraben wurden verschlossen und andere Maßnahmen umgesetzt, um das Wasser im Moor zu halten. Die europäische Union hat dies mit insgesamt drei Millionen Euro gefördert.

„Darüber hinaus wurden Agrar- und Umweltprogramme aufgelegt“, erläutert Einstein. Landwirte hätten sich verpflichtet, weniger zu düngen oder später zu mähen, damit die Brut durchkommt.

Dauerhaft bleibt der Torf aber nur erhalten, wenn die Flächen wieder vernässt werden.




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In der Region wird zwar kein Torf mehr abgebaut, doch auf Moorflächen findet weiterhin Landwirtschaft statt.
 
„Im Rißtal befinden sich genauso Moorböden wie im Schwarzachtal oder im Tal der Ostrach“, sagt Einstein. Es sei Augenwischerei, wenn auf Böden wie diesen Intensivgrünland oder Mais für Biogasanlagen angebaut und dann von einer nachhaltigen Energieerzeugen gesprochen werde.

„Die CO2-Bilanz ist miserabel“, bekräftigt Einstein. „Das ist vergleichbar mit der Abholzung von Regenwäldern, um, dort dann Palmöl-Plantagen anzulegen. Vor unserer Haustür hätten wir es in der Hand, es besser zu machen“.

Angesprochen auf die Wiedervernässung des Ummendorfer Rieds im Landkreis Biberach sagt der Naturschützer, dass dieses Projekt ein Schritt in die richtige Richtung sei.



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Doch was kann jeder Einzelne unternehmen, um die Moore in der Region und weltweit zu schützen?

Natürlich einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, um der Erderwärmung etwas entgegenzusetzen, so Einstein.

Zudem sollte nur torffreie Blumenerde gekauft werden: „Auf Torf im eigenen Garten sollte jeder verzichten.“

In den regionalen Baumärkten beziehungsweise Fachgeschäften müsste zwar etwas gesucht werden, aber in der Regel hätten sie torffreie Erde im Sortiment.

Vielleicht hat das Braunkelchen so die Chance, dauerhaft in der Region heimisch werden zu können.
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Umsetzung, Videos, Bilder 
Daniel Häfele, Jost Einstein

Texte
Daniel Häfele

Braunkelchen-Audio:
Michele Peron

Verantwortlich
Yannick Dillinger

Copyright
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Kontakt
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