Bedeutende Skelettfunde am Bodensee
Galgen und Gräber am Bodensee
Die Überreste weisen auf äußerst grausame Hinrichtungsmethoden und eine schaurige Vergangenheit am See hin.
Gräber neben der Bundesstraße
Und so nahmen die Planer des Landkreises Konstanz das Gelände genauer in Augenschein, auf dem ein Teil der neuen Umgehungsstraße entstehen soll.
Schon nach wenigen Minuten fanden sie die Fundamente des Galgens und bald darauf menschliche Knochen. Sie hatten eine Hinrichtungsstätte entdeckt, an der jahrhundertelang Männer und Frauen gefoltert und getötet wurden.
HINWEIS:
Diese Multimedia-Reportage enthält Bilder und Beschreibungen von drastischen Gewalttaten, die nicht für Kinder geeignet sind.
Die einstige Hinrichtungsstätte für Verurteilte von der Insel Reichenau
Unter der Erde
In einer Grube waren vier Leichen übereinander begraben.
Einige Delinquenten wurden bäuchlings und mit dem Gesicht nach unten vergraben - aus Angst vor Wiedergängern, die sich aus dem Grab erheben und die Lebenden quälen.
Geheimnisse aus dem Grab
Anthropologe Michael Francken vom Landesamt für Denkmalpflege (links) und sein Vorgänger im Amt Joachim Wahl erkennen etwa an Oberschenkel- und Hüftknochen bis heute, wie groß und schwer die Menschen waren, die in Allensbach am Galgen hingen.
Sie lassen im Labor auch Erde aus dem Boden unter dem Becken der Toten untersuchen. Sie gibt auch nach Jahrhunderten noch Aufschluss über den Gesundheitszustand der Delinquenten vor dem Tod.
Der Galgen bei Allensbach
Am unteren Rand der Karte ist der Untersee zwischen der B33 und der Insel Reichenau eingezeichnet, von wo die Verurteilten über den See zur Hinrichtung gebracht wurden.
Das Fundament des Todes
Bei der Bestattung der Toten ging es nicht um Würde: Die meisten wurden einfach verscharrt. In dem Grab unter dem Sonnenschirm sind allein vier Individuen zu unterschiedlichen Zeitpunkten übereinander und nebeneinander begraben.
Blick ins offene Grab
Ein zweiter Schädel ist zertrümmert worden - das kann nach Angaben der Anthropologen vom Landesdenkmalamt jedoch auch beim späteren Wiederöffnen des Grabes geschehen sein.
Der Oberschenkelknochen links weist auf ein sehr großes Todesopfer hin.
Rechts ragt ein Ellbogen hervor - dort liegt noch ein weiterer Mensch unter Erde und Gestein.
Abgetrennte Köpfe waren keine Seltenheit. Bei besonders schweren Urteilen reichte den Henkern nicht einmal dieses barbarische Vorgehen...
Gerädert, geköpft und aufgespießt
Nach dem Tod zur Schau gestellt
Die Grafik aus dem Video im Detail:
Die Zeichnung aus Daniel Pfisterers "Barockes Welttheater" zeigt eine grausame Art der Hinrichtung, die nachweislich auch in Allensbach stattfand.
Der Verurteilte wurde mit gebrochenen Knochen auf ein Rad gefädelt, nach dem Tod wurde sein Kopf aufgespießt und zur Schau gestellt.
Für die Verurteilten war das ein besonders schmerzhafter und würdeloser Tod.
Sonnenschirme, Staubsauger und Schaumstoff
Sonnenhüte, Sonnenschirme und Wasserflaschen gehören genauso zur Arbeitsausstattung der Forscher wie Handbesen, Maßbänder, Kameras und Staubsauger.
Sie markieren mit Sprühfarbe und Zetteln Fundstellen und Erdschichten.
Damit sie die Skelette bergen können, müssen sie die Fundstätte zerstören. Deshalb ist die genaue Dokumentation von großer Bedeutung.
Mit Schaufel und Pinsel ans Tageslicht
Grabungstechniker tragen zunächst die groben Steine ab, kratzen Erde von den Knochen und befreien sie dann mit Pinseln von Dreck und Staub.
Dabei dokumentieren sie jeden noch so kleinen Fund. Neben diesem Skelett fanden sich Ösen und Haken aus Metall, die als Verschlüsse von Kleidung dienten.
Außerdem machten die Grabungstechniker einen besonderen Fund neben dem Toten.
Die außergewöhnliche Grabbeigabe
Das Werkzeug, eine Art Sichel, wurde unter anderem zum Schneiden von Reisig verwendet.
Warum der Delinquent dieses Werkzeug behalten und auch mit ins Grab nehmen durfte, ist für den Konstanzer Kreisarchäologen Jürgen Hald derzeit noch ein Rätsel.
Zwischen Pietät und Pragmatismus
Die Grabungstechniker nutzen beispielsweise Industriestaubsauger, um die Skelette zu reinigen.
Dabei ist den Mitarbeitern immer bewusst, dass sie mit den sterblichen Überresten von Menschen arbeiten und wie grauenhaft einige Opfer zu Tode gekommen sind.
Wo Wissenschaft auf Grausamkeit trifft
Verbrannte Erde: Scheiterhaufen oder Einäscherung?
Ob es sich um Scheiterhaufen handelte, in denen vermeintliche Hexen bei lebendigem Leib verbrannt wurden, oder ob Leichenteile eingeäschert werden sollten, wird sich erst im Labor zeigen.
Warum ist die Fundstelle so wichtig?
Der letzte Blick auf den Gnadensee
Denn der Legende nach gab es eine letzte Chance auf Freiheit: Wenn während der Überfahrt von der Reichenau zum Hinrichtungsplatz ein Glöckchen läutete, wurde der Verurteilte begnadigt und auf dem Festland auf freien Fuß gesetzt - nach dem Schwur, die Gegend für immer zu verlassen.
Für die meisten Verurteilten blieb es jedoch bei dieser Hoffnung - sie starben am Strang, ihre Körper blieben zum Teil noch bis zu fünf Jahre am Galgen hängen und waren für die nächsten Verurteilten schon bei der Überfahrt sichtbar.
Impressum
Texte, Fotos und Umsetzung:
Andrea Pauly
Videos und Grafik:
David Weinert
Den Artikel "Die Entdeckung der Grausamkeit" aus der Schwäbischen Zeitung mit weiteren Informationen zur Hinrichtungsstätte bei Allensbach lesen Sie hier.
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