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Der Himmel war rot

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Titel

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Von Anna Kratky, David Weinert, Stefan Fuchs, Hagen Schönherr und Martin Hennings

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Vor dem Angriff

332 Flugzeuge des Typs Lancaster und eine Mosquito sammeln sich am 27. April 1944 in der Stadt Reading, etwa 40 Kilometer westlich von London. Zwischen 20 und 21 Uhr starten die Flugzeuge der Royal Airforce (RAF) in eine mondhelle Nacht mit klarer Sicht. Ihr Ziel: Friedrichshafen.

Die Flieger haben den Auftrag, das Maybach Motorenwerk und die Zahnradfabrik zu zerstören. Als sie an diesem Donnerstag in Reading vom Rollfeld abheben, ahnen die Bewohner Friedrichshafens noch nichts von ihrem Schicksal.
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Städte wie Dresden, Frankfurt oder Köln litten massiv unter der ständig wiederkehrenden Bombardierung im Zweiten Weltkrieg. Aber auch das viel kleinere Friedrichshafen.

Der Grund dafür liegt in der Friedrichshafener Industrie. Mit den Dornier-Werken und dem Zeppelin-Konzern (Luftschiffbau, Zahnradfabrik und Maybach Motorenbau) war Friedrichshafen einer der wichtigsten deutschen Rüstungsstandorte. Getriebe der ZF und Maybach-Motoren verrichteten in einem Großteil der deutschen Militärfahrzeuge ihren Dienst. Dornier war schon in der Weimarer Zeit am geheimen, durch den Versailler Vertrag verbotenen Aufbau der späteren Luftwaffe beteiligt. Nahezu die gesamte Werkskapazität war seit dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund 1933 mit der Produktion von Militärflugzeugen ausgelastet.

Zeppelin produzierte technisches Equipment wie Parabolantennen, Sperrballons und ab Ende 1943 auch Teile für die V2-Rakete.

„Hier musste jedem Verantwortlichen und Beschäftigten klar gewesen sein, dass für den Krieg gerüstet wird“, sagt Jürgen Oellers, Leiter des Stadtarchivs Friedrichshafen. Allerdings wussten auch die Westalliierten Bescheid. Im ‚Bomber's Baedecker‘, einer Art „Zielhandbuch“ der Briten von 1943/44, heißt es:
  
„Industriell gesehen ist Friedrichshafen wahrscheinlich die wichtigste Stadt ihrer Größe in Deutschland.“ 

Die Industrie wurde Ziel mehrerer Angriffe und Aufklärungsflüge. Deshalb hatten die Betriebe ihre Produktion zum Teil schon vor dem 28. April verlagert. Trotzdem wurde Friedrichshafen zum Ziel einiger Angriffe. Die kaum präzise steuerbaren Bomben trafen dabei auch viele Zivilisten.
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Im Zweiten Weltkrieg waren die Bombardierungen aus der Luft ein wichtiges strategisches Mittel der Kriegsführung. Der Luftkrieg begann mit einem deutschen Bomberangriff am 1. September 1939 auf das polnische Wielún. Bis zu 1200 Menschen starben dort im Bombenhagel. Rund ein halbes Jahr später fiel Rotterdams Altstadt am 14. Mai 1940 in Trümmer.

Die britische Royal Air Force (RAF) flog ab Mai 1940 Angriffe auf deutsche Städte. Erste Höhepunkte der gegenseitigen Attacken waren die Angriffe auf das britische Coventry (siehe Bild, 1940) und auf Köln (1942).

Spätestens seit 1943/1944 verschwanden die Grenzen zwischen militärischen und zivilen Zielen vollständig. Hitlers „totaler Krieg“ schlug mit unerbittlicher Wucht auf das Deutsche Reich zurück.

Ziel der alliierten Angriffe war jetzt auch, die Bevölkerung mürbe und kriegsmüde zu machen. Insgesamt sollten etwa 60.000 britische und zwischen 300.000 und 600.000 deutsche Zivilisten in bombardierten Städten ihr Leben verlieren.


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Die Nacht mit den Zeitzeugen erleben

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Das Leben nach dem Angriff

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Margarete Westerholt

Funken löschen auf dem Dachboden

Elisabeth Schmidhuber

Bangen im Luftschutzkeller

Heinz Zimmermann

An der Flakstellung mit dem Luftwaffenhelfer

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Das Leben nach dem Angriff

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Dornier

Zeppelingelände

Maybach Motorenbau

Die Flakstellung von Heinz Zimmermann

Das Haus von Magarete Westerholt

wurde nicht zerstört

Das Haus von Elisabeth Schmidhuber

wurde zerstört

Die Flakstellung von Heinz Zimmermann

Kurgartenhotel / heute GZH

wurde teilweise zerstört

Nikolauskirche

wurde zerstört

Der Hafenbahnhof

wurde teilweise zerstört

Zahnradfabrik

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Für die Reichsführung hatte nach der Bombennacht der Erhalt der kriegswichtigen Industrie oberste Priorität. Karl Otto Saur, Leiter des Hauptamts für Technik im Rüstungsministerium, erstattete Adolf Hitler persönlich Bericht zur Lage in Friedrichshafen. Hitler befahl daraufhin die vollständige Verlagerung der Produktionsstätten ins Umland, etwa nach Hohenems und Überlingen.

136 Menschen starben bei dem Angriff - 46 von ihnen waren laut eines Zeitungsberichts Ausländer. Sie waren aller Wahrscheinlichkeit nach überwiegend Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.

Für den größten Teil der Bevölkerung bedeutete der Angriff den Verlust von Wohnung und Arbeitsstätte. Bereits am 28. April wurde damit begonnen, Menschen aus der zerstörten Stadt zu bringen. Etwa 16.000 Bewohner verließen laut städtischen Unterlagen die Stadt - weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Sie wurden durch die jeweiligen Gau-, Kreis- und Ortsverwaltungen zugeteilt oder kamen bei Verwandten im Umland unter. 

Teilweise verliefen die Evakuierungen chaotisch: Die verbliebenen Bewohner kamen in intakten oder leicht beschädigten Wohnungen unter. Für die Wasserversorgung wurde der versiegelte Altstadtbrunnen reaktiviert, Lebensmittel wurden an Sammelstellen zugeteilt - etwa an der Molke/Riedlehof. Unterstützung bei den Aufräumarbeiten und der Versorgung erhielt die Bevölkerung vom Reichsarbeitsdienst, dem Technischen Hilfsdienst und Helfern aus der Region.

Tausende von Zwangsarbeitern erhielten anfangs keine Schutzräume vor den Bombenangriffen. Die KZ-Häftlinge in Friedrichshafen und bei Oberraderach bekamen grundsätzlich keinen Schutz und mussten nach den Angriffen Blindgänger aufspüren.
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Der Neuaufbau der zerstörten Stadt ging zunächst schleppend voran. Noch 1948 prägten zerstörte Häuser und notdürftig errichtete Baracken das Stadtbild. Wichtige Gebäude wie Geschäfte oder Banken konnten teils schon bald nach den Angriffen notdürftig instandgesetzt werden. Das galt auch für Bauten, die französische Besatzer zunächst für ihre Zwecke in Beschlag nahmen - wie etwa das Schloss oder das Kurgartenhotel.

Dornier-Werke und Zeppelin-Konzern wurden zwangsverwaltet und deindustrialisiert, was viele Menschen den Arbeitsplatz kostete. Wiederauf- und Neubaumaßnahmen an Privathäusern waren in der Regel erst ab der Währungsreform 1948 gestattet.

Mithilfe einer Schmalspurbahn wurde die Stadt von 1947 bis 1953 von den Trümmern freigeräumt. Der 1948 offiziell begonnene Wiederaufbau endete mit der Fertigstellung des neuen Rathauses 1956. 

Bis heute werden immer wieder Blindgänger in der Stadt sowie im Bodensee entdeckt.
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Abspann & Impressum

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Projektleitung:
Anna Kratky

Redaktion:
Anna Kratky Stefan Fuchs Hagen Schönherr  Martin Hennings

Art Director:
David Weinert

Fotos:
David Weinert, H. Bockelmann, Elisabeth Schmidhuber, Margarete Westerholt, Heinz Zimmermann, Ralf Schäfer, Stefan Fuchs, Archiv der Schwäbischen Zeitung, Airbus Corporate Heritage

Videos:
David Weinert

Quellen: 
Stadtarchiv Friedrichshafen National Archives Catalog Critical Past, Hug-Biegelmann, Raimund: Friedrichshafen im Luftkrieg 1939-1945, Schriftenreihe des Stadtarchivs Friedrichshafen Band 4 (Hrsg. Stadt Friedrichshafen)
Süß, Dietmar: Der Zusammenbruch der "Heimatfrond": Deutschland im Luftkrieg,   
Deutschlandfunk

Musik:

Silent Partner - Get Back Up
Doug Maxwell/Media Right Productions - Impending Doom Film Trailer
Puddle of Infinity - Procession
audeeyah.de - Lonely

Verantwortlich:
Yannick Dillinger, stv. Chefredakteur
Karlstraße 16
88212 Ravensburg

Copyright:
Schwäbische Zeitung 2019 - alle Rechte vorbehalten
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Der Anflug

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Margarete Westerholt

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Das Haus, in dem Margarete Westerholt damals mit ihrer Familie wohnte, stand in der Göringstraße 34 (heutige Keplerstraße). Ihre Familie hatte eine Freundin der 17-Jährigen aufgenommen, deren Haus bereits bei einem früheren Angriff zerstört worden war. Die Nacht auf den 28. April verbrachte Westerholt mit ihrer Familie, ihrer Freundin Vroni und den sechs anderen Familien, die im Haus wohnten, im Keller. Die heute 94-Jährige erinnert sich, dass ein Bewohner selbst bei Fliegeralarm den Keller nur sehr selten aufsuchte. In dieser Nacht schien aber sogar er zu ahnen, was der Stadt bevorstand.
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Der Keller des Hauses war mit einer Eisentür und eisernen Fensterläden gepanzert. Trotzdem spürten die Schutzsuchenden die Wucht der Sprengbomben. Margarete Westerholt erinnert sich, dass sich alle flach auf den Boden legen mussten, damit die Lungen vom Luftdruck der Explosionen keinen Schaden nahmen.
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Das Haus, in dem die damals 17-Jährige wohnte, blieb in dieser Nacht von den Bomben größtenteils verschont. Die Wucht der Sprengbomben hatte allerdings das Dach abgedeckt. Nachdem die Flieger wieder abgedreht waren, war die Gefahr noch nicht vorüber. In der Altstadt wütete ein Flammensturm.

Margarete Westerholt erinnert sich, dass sie mit den anderen Jugendlichen des Hauses auf den Dachboden geschickt wurde. Sie sollten die Funken in der Luft mit nassen Lappen löschen und damit verhindern, dass das Haus Feuer fängt.
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Elisabeth Schmidhuber

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Elisabeth Schmidhuber erlebte den Angriff als zehnjähriges Mädchen. Sie wohnte in einem von zwei großen Firmenwohnhäusern in der Hochstraße 12, direkt gegenüber von Maybach-Motorenbau. Ihr Vater arbeitete bei dem Rüstungsbetrieb. Als die Sirenen in jener Nacht ertönten, musste die Zehnjährige mit ihren Eltern, ihrem fünfjährigem Bruder und ihrer Schwester, die noch ein Baby war, über den Hof in den Luftschutzkeller des Nachbarhauses eilen. Im Freien hörten sie bereits die Motorengeräusche der herannahenden Bomber und die Schüsse der Flak. 
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Das Haus, in dem Schmidhuber mit ihrer Familie Schutz suchte, blieb bei dem Angriff erhalten. Ihr eigenes wurde jedoch zerstört. Noch während des Angriffs versuchte Schmidhubers Vater, die wenigen Habseligkeiten der Familie zu retten.
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Am Leben, aber ohne Dach über dem Kopf, stand die Familie in der Nacht auf der Straße. Die Zehnjährige harrte mit ihrer Familie lange im Keller aus, bis sie sich wieder ins Freie traute. Als die Schutzsuchenden den Keller schließlich verließen, schlug ihnen die Hitze der brennenden Stadt entgegen. „Manche haben nur noch geschrien und sind weggelaufen“, erinnert sich Schmidhuber.
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Heinz Zimmermann

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Heinz Zimmermann wurde 1928 in Friedrichshafen geboren und ging später in die Oberschule. Als er 15 Jahre alt war, wurde seine gesamte Klasse zum Kriegshilfsdienst bei der Flakartillerie eingezogen. In der Nacht des 28. April war Zimmermann am Kommandogerät im Stadtteil Windhag stationiert, wo er feindliche Flugzeuge zum Abschuss ins Visier nahm.
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Zimmermann visierte die Bomber mittels eines sogenannten optischen Geräts an, um die Schusslinie für die Flak zu berechnen. Die Angriffe und Zeichnungen von einigen der anvisierten Flugzeuge hielt er später in seinem Tagebuch fest.

In der Nacht des 28. April zerstörten die britischen Flieger schon zu Beginn des Angriffs die Verbindungen zwischen dem optischen Gerät und der Flakstellung. Er konnte nichts anderes mehr tun, als sich die Zerstörung der Stadt vom Hügel der Flakstellung aus anzusehen.
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Die Eltern von Heinz Zimmermann wohnten im Hafenbahnhof (rechts im Bild) von Friedrichshafen. Sein Vater war Leiter der Schiffswerft und hatte am Tag des Angriffs Geburtstag. Den Geburtstagskuchen, der zur damaligen Zeit eine Rarität war, nahm Zimmermanns Mutter mit in den Keller des Bahnhofs und verteilte ihn unter den Schutzsuchenden. Das Gebäude wurde während des Angriffs getroffen.
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