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Innsbruck - Die Wiege der Weltmeister

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Einleitung

Was haben einige der weltbesten Kletterer gemein? Sie trainieren in Innsbruck. Wie zum Beispiel der Weltmeister Jakob Schubert (2012) oder die viermalige Weltmeisterin Angela Eiter (2005, 2007, 2011, 2012) oder auch die beiden Boulderchampions Kilian Fischhuber und Anna Stöhr. Nicht zu vergessen: die österreichische Nationalmannschaft.

Im September wird die gesamte Kletterwelt nach Innsbruck blicken, denn dann findet dort die alle zwei Jahre stattfindende Kletterweltmeisterschaft statt. Für uns Grund genug, um der Stadt vorab einen Besuch abzustatten.


(Das beste Leseerlebnis haben Sie übrigens im Querformat.)


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Ende

Dass Innsbruck das Zentrum der österreichischen Kletterszene ist, beweist auch der Umzug des US-amerikanischen Alpinsportausrüsters "Black Diamond Equipment", der im Mai 2016 seine Europazentrale vom schweizerischen Basel nach Innsbruck verlegte. Damit verbunden war eine Erstinvestition in Höhe von 23 Millionen Euro. Hauptgrund des Umzugs sei dem Unternehmen zufolge der Wechsel in die Eurozone gewesen. Gleichzeitig befände sich in Innsbruck einer seiner größten Absatzmärkte. 

Das Klettern bedeutet für Innsbruck nicht nur Lebensqualität, sondern dient  etlichen Innsbruckern auch als Lebensgrundlage. Klettern ist hier mehr als ein Volkssport. Es ist tief in der Lebenswelt der Innsbruckern verankert. Und deshalb darf es auch in Anspruch nehmen, als Wiege der Weltmeister zu gelten.
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Innsbruck - Die Wiege der Weltmeister
Text / Fotos / Videos: Michael Scheyer

Foto Angela Eiter: Piotr Turkot

Auf Einladung der Tirol Werbung GmbH im Juni 2018.

Weitere Infos zur Kletterweltmeisterschaft in Innsbruck: 
https://www.innsbruck2018.com/

Verantwortlich:
Yannick Dillinger
Schwäbische.de
Karlstraße 18
88212 Ravensburg

Copyright: Schwäbische Zeitung 2018 - alle Rechte vorbehalten

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Geschichte des Kletterns

Sportklettern bedeutet, dass der Kletterer keine technischen Hilfsmittel verwendet - mit Ausnahme der Kletterschuhe, die eine spezielle Sohle haben. Der sportliche Aspekt - die körperliche Leistungsgrenze zu erreichen oder zu übertreffen - steht dabei im Vordergrund. Eine Route gilt als bezwungen, wenn der Kletterer nichts außer seinen Händen und Füßen verwendet hat.
Im Gegensatz zum alpinen Klettern: Bei diesem steht die Besteigung von Bergen im Vordergrund und technische Hilfsmittel wie Pickel und Steigeisen gehören dazu oder auch Stahlseile im Falle von Klettersteigen.
Das technisch freie Klettern entwickelte sich bereits im 19. Jahrhundert in der sächsischen Schweiz. Der Durchbruch kam jedoch erst in den 60er Jahren in den USA. Laut Deutschem Alpenverein (DAV) gibt es in Deutschland etwa 500.000 aktive Kletterer. Tendenz: steigend.
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Sicherheit:
Kletterer sollen beim Sportklettern zwar auf technische Hilfen verzichten, aber nicht auf Sicherheit. Deshalb benutzen auch Sportkletterer Sicherheitsgurt, Karabiner und Seil. Diese helfen allerdings nicht beim Klettern, sondern sind nur eine Absicherung, dass im Falle eines Sturzes sich der Kletterer nicht verletzt oder gar stirbt. Auch das Magnesium macht den Kletterer nicht stärker, sondern lediglich schwitzige Hände trockener.

Schwierigkeit:
Um dem Kletterer einen Anhaltspunkt zu geben, ob er eine Route klettern kann oder nicht, wurden Schwierigkeitsgrade erfunden. In Deutschland ist die Skala UIAA gebräuchlich. Anfängerrouten beginnen in der Regel bei 3. (Eine 2 wäre eine sehr, sehr steile Treppe). Die aktuell schwerste Route ist eine 12. Die international gebräuchlichste Skala ist beim Sportklettern allerdings die Französische. In dieser Skala ist die schwerste Route eine 9b+.
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Die Weltbesten

Und das sind längst nicht alle Titel, die Angela Eiter gewonnen hat - 1986 im tirolerischen Imst geboren. Die Wettkampfkarriere hat sie nach vier WM-Siegen in fünf WM-Teilnahmen (einmal verletzt) allerdings an den Haken gehängt.
Nun widmet sie sich ihrer Arbeit als Kletterlehrerin und Routenschrauberin und dem Bezwingen der schwierigsten Schwierigkeitsgrade: Im Oktober 2017 kletterte sie als erste Frau der Welt eine Route im Schwierigkeitsgrad 11+/12- (9b). Eine Sensation.
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Wie hat sie das Echo auf ihren größten Erfolg erlebt und glaubt sie, dass eine andere Frau ihre Leistung bald toppen könnte?

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Im Bouldern sind die Frauen aus Österreich besonders stark. So wie Anna Stöhr, die zu ihren Bestzeiten in der Top 5 der Weltrangliste kletterte.

In der österreichischen Nationalmannschaft befinden sich sechzehn Frauen, bei den Herren sind es dagegen nur neun. Anna Stöhr, die im A-Kader der Nationalmannschaft bouldert, macht aktuell eine Verletzung zu schaffen. Nun versucht sie, wieder zu ihrer Topform zurückzufinden.
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Wie wurde sie eine Weltklasseboulderin und was bedeutet die Kletterweltmeisterschaft in Innsbruck für sie?

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Die International Federation of Sport Climbing (IFSC) schreibt die Weltrangliste der Sportkletterer in mehrere Disziplinen jährlich aus. 

Der Österreicher Jakob Schubert führte Weltrangliste 2011 und 2014 in der Disziplin Vorstieg an. In den vergangenen zehn Jahren schafften es nur zwei Deutsche in die Top Ten: Thomas Tauporn und Sebastian Halenke.
Einer deutsche Frau blieb in den vergangenen zehn Jahren in der Disziplin Vorstieg der Einstieg in die Top Ten der IFSC Weltrangliste verwehrt.

Besonders häufig sind Kletterer aus Frankreich, Österreich und Slowenien in der Weltrangliste vertreten.
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Weltmeisterschaft

Über 700 Athleten aus 65 Nationen haben sich für die Weltmeisterschaft angemeldet, die vom 6. bis 16. September in Innsbruck stattfinden wird. Veranstalter ist die IFSC.

Die WM dauert neuerdings ganze zehn Tage - laut WM-Organisator Michael Schöpf aus zwei Gründen: Erstens, damit alle drei Wettkampfdisziplinen beim gleichen Event ausgetragen werden können und die Teilnehmer in mehreren Disziplinen antreten können. Und zweitens, damit die Teilnehmer auch mal einen Ruhetag zwischen den Wettkämpfen haben.

Darüber hinaus werden auch die Paraclimbing-Meisterschaften ausgefochten, bei denen sich behinderte Kletterer miteinander messen.


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1. Vorstieg (Lead)
Beim Vorsteigen müssen die Kletterer eine neu definierte Route von etwa 20 bis 30 Zügen, die sie nicht kennen, ohne Pause durchklettern (im Bild: Turm rechts). Hier ist vor allem Ausdauer gefragt. Sieger ist, wer am weitesten kommt.

2. Bouldern
Beim Bouldern klettern die Wettkämpfer ohne Seil in einer Höhe, in der sie abspringen können. Die kurzen Routen von vielleicht fünf bis zehn Zügen verlangen Kraft und technische Finesse ab. Wer die meisten Boulder bewältigt, gewinnt.

3. Geschwindigkeit (Speed)
Zwei Kletterer treten nebeneinander an und versuchen eine definierte Route so schnell wie möglich zu durchsteigen (im Bild: Turm links). Der schnellste gewinnt. Um 15 Meter zu erreichen, brauchen die Weltbesten gerade mal 6 Sekunden.
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2020 wird Klettern das erste Mal eine offizielle Disziplin der Olympischen Sommerspiele sein - in Tokio. Dann müssen die Kletterer in allen drei Disziplinen gegeneinander antreten: Lead (Vorstieg), Bouldern und Speed. Eine Punktesystem ermittelt dann aus den drei Einzeldisziplinen den Gesamtsieger.

Die Kletterwelt übt Kritik: Aufgrund der Kombination der drei Disziplinen könnten nun durchschnittliche Kletterer Olympiasieger werden. Weil die drei Disziplinen in ihrer Art so unterschiedlich sind, sind die meisten Spitzenkletterer in der Regel nur in einer Disziplin Weltklasse, in den anderen dagegen mittelmäßig.
Böse Zungen behaupten, das Olympische Komitee habe lediglich Medaillen sparen wollen.
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Kletterzentrum

Etwa 50.000 Griffe ergeben mehr als 600 Routen in den Schwierigkeitsgraden 3 bis 11 (franz.: 3 bis 9a) im neu gebauten Kletterzentrum Innsbruck (KI). Schon die Zahlen sind spektakulär: 12 Millionen Euro Kosten, zwei Jahre Bauzeit, finanziert von Bund, Land und Stadt. Allein die Griffe haben 400.000 Euro gekostet. Auf 6000 Quadratmetern Fläche können keine Kletterwünsche mehr offen bleiben. 

In Innsbruck leben 130.000 Einwohner, seit ihrer Eröffnung vor einem Jahr, im Mai 2017, hatte die Halle 170.000 Besucher. Die Innsbrucker Sektion des Österreichischen Alpenvereins führt 50.000 Mitglieder. 
Wo, wenn nicht hier, sollte der Nachwuchs der Kletterelite trainieren?
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Zehn Jahre lang setzte sich Hallenchef Reini Scherer für die neue Halle in Innsbruck ein. Die zwei letzten Jahre davon flossen in konkrete Bauplanung und Umsetzung. "Für mich gibt es in Europa nichts vergleichbares", sagt Scherer bei einer Hallenführung. Etliche Weltmeisterkletterer und Nationalmannschaften anderer Länder hätten die Halle seit ihrer Eröffnung bereits zum Trainieren besucht. "Wir sind derzeit die Messlatte, aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis in anderen Städten ähnliche Hallen entstehen".

Die neue Halle richtet sich aber keineswegs nur an Profis. Im Gegenteil: 70 Prozent der Routen liegen im Grad bis 8-. Im Kletterzentrum Innsbruck klettern Anfänger an derselben Wand wie die Weltmeister. Und gelegentlich müssen diese dann auch mal Autogramme verteilen.
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Die Halle beauftragt Routenschrauber aus der ganzen Welt. Die Mischung macht's: Je nach nationaler Vorliebe haben sich unterschiedliche Stile entwickelt. So gibt es gefühlt einen italienischen Stil, einen französischen oder einen russischen Stil, Routen in die Wand zu schrauben. Sie sind dann entweder eher technisch anspruchsvoll oder verlangen mehr Kraft ab.

Das Recht der Lokalmatadoren:
Wenn das österreichische Nationalteam ungestört trainieren will, dann darf es gewisse Boulderbereiche des Kletterzentrums für sich absperren. Außerdem dürfen die Athleten dann auch die Griffe so schrauben, wie sie es für ihr Training brauchen.
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Felsklettern

Das Klettern am Fels unterscheidet sich vom Klettern an künstlichen Wänden. Zwar sind Sicherungstechnik und Bewegungsabläufe annähernd gleich, aber Felsen verlangen einem Kletterer ein robusteres Nervenkostüm ab als gut gepflegte Routen unterm Dach: Unsichtbare Griffe, rutschige Tritte, brüchiger Stein und luftige Höhen erfordern Mut und Vertrauen. 

Der Wettkampfsport findet fast nur an künstlichen Wänden statt - damit für alle Athleten dieselben Bedingungen gelten. Wer sich im Wettkampf auf Meisterschaften messen will, der muss in der Halle trainieren. Wer dagegen in die schwierigsten und legendären Routen einsteigen will, der muss seine Fähigkeiten am Fels verfeiern. Viele Kletterer zieht es erst nach ihrer Wettkampfkarriere so richtig an den Fels. 
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Wer Routen sucht, der findet sie in allen Himmelsrichtungen. Eigentlich könnte man von Innsbruck aus in eine beliebige Richtung gehen und würde recht bald auf einen Bohrhaken stoßen.

Aber sinnvoll ist es dennoch, den mehrere hundert Seiten starken, offiziellen Kletterführer mitzunehmen, um sich vorab über Beschaffenheit der Felsen oder Schwierigkeitsgrad der Routen zu informieren. 

Und wer ganz neu ist, der kann sich an eine der vielen Kletterschulen wenden oder einen der vielen Bergführer als Begleiter buchen. So zum Beispiel an den 47-jährigen Jakob Oberhauser.
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Was bieten die Felsen rund um Innsbruck für Möglichkeiten, wer kann daran klettern und welches sind seine Lieblingsrouten?

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Robert Thaler (47) hat rund um Innsbruck zahlreiche Kletterrouten in allen möglichen Schwierigkeitsgraden erschlossen. Sein Geld verdient er mit Kletterkursen und Bergtouren.

Als er 16 Jahre alt war bewältigte Thaler seine schwerste Route: Der etwa 15 Meter lange "Hyperfreiflug" ist eine glatte 10 an einem berühmten Felsen namens Dschungelbuch. "Es beginnt mit einem Riesenzug zu einem Griff, dann kommen zwei, drei Kleine bis zur Rampe", erinnert er sich noch gut. "Und wenn Du aus der Rampe gestiegen bist, wird es immer kleiner bis oben."
Damals hätten einige Freunde extra die Schule geschwänzt, um dabei sein zu können, wenn einer aus dem Freundeskreis das erste Mal eine 10 durchsteigt. Danach haben sie gemeinsam gefeiert.
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Auch Klettersteige gibt es in Tirol zahlreiche, wie den "Leite Klettersteig" am Wettersteingebirge bei Nassereith (siehe Bild). Der Steig hat die Schwierigkeit C/D und erfordert aufgrund der plattigen Felsen eine Menge Armkraft. Und die Länge des Steigs, mit 500 Klettermetern, sollte auch nicht unterschätzt werden. 

Klettersteige erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Seit fünf Jahren etwa ist ein regelrechter Boom ausgebrochen. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Zahl der Unfälle auf den Bergen, da vor allem unerfahrene Klettersteigbegeher Gefahren und Herausforderungen häufig unterschätzen. Auch die Klettersteige sind in den Kletterführern ausführlich beschrieben.
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Dünn wird die Luft im Hochalpinen. Und gefährlich wird dort die Kletterei. Zwar belohnen die höchsten Gipfel den Wagemutigen bei gutem Wetter mit schönsten Panoramen. Doch damit der Gipfelsturm ungefährlich bleibt, müssen  Bergsteiger genau wissen, was sie tun: Wetterumschwünge frühzeitig erkennen, Geröll- und Schneefelder (hier im Mattunjoch auf dem Arlberg) beurteilen oder die eigenen Kräfte einschätzen - von der Ausdauer für stundenlangem Abstieg und der Schwindelfreiheit für ungesicherte Trampelpfade ganz zu schweigen.

Klettern ist nicht gleich Klettern. Der Sport ist vielfältig. Und jeder Bereich verlangt dem Kletterer umfangreiche und spezielle Kenntnisse in Sicherheitsmaßnahmen ab. Wer diese beherrscht, wird mit Sicherheit seine Freude am Felsen haben.
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