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Wie alt sind unsere Ärzte?

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Wir werden alt und unsere Ärzte auch

Rund jeder dritte Arzt ist über 60 Jahre alt und steht kurz vor dem Ruhestand. Ob genügend junge Ärzte nachkommen, um die Lücke zu füllen, ist fraglich.
Dabei merken schon jetzt viele Menschen, wie schwierig es ist, einen Termin bei einem Spezialisten oder auch bei einem Hausarzt zu bekommen. Der Bedarf nach Behandlung steigt, aber die zur Verfügung stehenden Sprechstunden bei Ärzten schwinden.

Die offiziellen Zahlen aber sagen: Eine Unterversorgung droht nicht.

Wie kann das sein?

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Noch nie gab es so viele Ärzte in Deutschland wie heute. In den letzten 30 Jahren hat sich etwa die Zahl der angestellten Ärzte im ambulanten Bereich versechsfacht. Und trotzdem warnte die Bundesärztekammer schon 2021 vor einem drohenden Mangel.

Die Ärztestatistik weist für 2022 bundesweit 421.000 berufstätige Ärztinnen und Ärzte aus. Das ist ein minimaler Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem dürfe laut der Kammer bezweifelt werden, dass das deutsche Bildungssystem eine ausreichende Anzahl an Ärzten hervorbringt.

Aber wie passt das zusammen?

Zum einen steigt der Bedarf an Behandlungen. Allein bei Diabeteserkrankungen rechnet das Deutsche Diabetes-Zentrum mit einem Anstieg um bis zu 77 Prozent bis zum Jahr 2040.

Zum anderen folgen auch die Ärzte dem gesamtgesellschaftlichen Trend hin zu weniger Überstunden und kürzerer Arbeitszeit.

Wenn also der Hausarzt im Dorf, der bislang 45 Stunden jede Woche Sprechzeiten für Patienten angeboten hat, in den Ruhestand geht, sein Nachfolger aber nur noch 40 Stunden anbietet, dann ist die Zahl der Ärzte auf dem Papier gleich geblieben. In der Realität steht aber weniger Zeit zur Verfügung.

Und selbst das funktioniert nur, wenn der Dorfarzt überhaupt einen Nachfolger findet.

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Viele Ärzte werden sich in den nächsten Jahren auf die Suche nach einem Nachfolger machen müssen, oder suchen bereits. Denn bundesweit sind mehr als 41 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte über 60 Jahre alt.

Zwischen Alb und Bodensee ist jeder dritte Arzt über 60.

Diese Ärzte gehören noch zur Generation der Baby-Boomer und sind in den geburtenstarken Jahren der 1950er und 1960er auf die Welt gekommen. Es ist eine Folge des demografischen Wandels, dass es von ihnen mehr gibt als in den Generationen, die folgen.

Wenn sie in den nächsten Jahren aus dem Berufsstand ausscheiden, wird das eine Lücke hinterlassen.


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So alt sind unsere Ärzte

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht zum Stand der ambulanten Versorgung im Land. Im Vorwort zum Bericht 2023 schreibt sie: „Immer mehr Arztsitze können nicht nachbesetzt werden, und das nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in den Städten.“

Wie viele und welche Ärzte konkret das betreffen wird, sei schwer zu beurteilen, hat Sprecher Kai Sonntag auf Nachfrage erläutert. Was aus dem Bericht jedoch abzulesen ist, ist die Altersstruktur der Ärzte in jedem Landkreis.

Eine Auswertung dieser Zahlen durch Schwaebische.de zeigt: Je nach Fachrichtung sind in manchem Landkreis schon jetzt bis zu 60 % der Ärzte einer Fachrichtung über 60 Jahre alt.


Scrollen Sie weiter, um die Lage in Ihrem Landkreis zu sehen.
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Bedarfsplanung

Trotz dieser Zahlen lautet die offizielle Einschätzung für fast alle Regionen in Baden-Württemberg: Es droht keine Unterversorgung.

So zumindest steht es in der sogenannten Bedarfsplanung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg. Sie bestimmt zum Beispiel, wo sich noch neue Ärzte niederlassen können und wo nicht.

Das Problem: Eigentlich sind die Angaben in der Bedarfsplanung gar nicht dafür geeignet, die Versorgung in der Region abzulesen.
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Die Bedarfsplanung tut, was in ihrem Namen steckt: Sie soll planbar machen, wo im Land es einen Bedarf an weiteren Ärzten gibt und wo nicht. Dafür nutzt sie als Indikator den sogenannten Versorgungsgrad.

Der Versorgungsgrad berechnet sich aus dem Verhältnis zwischen der Anzahl an Ärzten und der Anzahl an Einwohnern in einem definierten Gebiet. So kann er in Prozent angegeben werden.

Entstanden ist er Anfang der 1990er Jahre, als die Bundesregierung von einer Ärzteschwemme ausging und einen Kostenanstieg bei den Krankenkassenbeiträgen verhindern wollte. Dafür wollten sie die Anzahl der Ärzte in einem Gebiet begrenzen.

So wird der Versorgungsgrad bestimmt

Weil es aber bis heute kein wissenschaftliches Maß dafür gebe, wie gut die Versorgung in einer Region sei, erklärt KVBW-Sprecher Kai Sonntag, habe man sich pragmatisch auf etwas geeinigt. Als 100 Prozent versorgt gilt eine Region dann, wenn das Verhältnis zwischen Ärzteanzahl und Einwohnern auf dem Niveau von 1990 liegt.

Übersteigt der Versorgungsgrad 110 Prozent in einem Planungsbereich, wird dieser für neue Zulassungen gesperrt. Es können sich also keine weiteren Ärzte dort niederlassen. Nur in wenigen Regionen in Baden-Württembergs Südwesten ist das der Fall.



Scrollen Sie weiter, um beispielhaft die Bedarfsplanung für Hausarzt-Sitze zu erkunden.
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Ulm

Versorgungsgrad: 109,7
Status: offen

Ellwangen

Versorgungsgrad: 81,9
Status: offen

Härtsfeld

Versorgungsgrad: 95,5
Status: offen

Schwäbischer Wald

Versorgungsgrad: 67,9
Status: offen

Aalen

Versorgungsgrad: 96,2
Status: offen

Schwäbisch Gmünd

Versorgungsgrad: 99,2
Status: offen

Göppingen

Versorgungsgrad: 85,2
Status: offen

Geislingen

Versorgungsgrad: 81,8
Status: offen

Heidenheim

Versorgungsgrad: 93,2
Status: offen

Blaubeuren / Laichingen

Versorgungsgrad: 92,2
Status: offen

Münsingen

Versorgungsgrad: 111,4
Status: gesperrt

Ehingen

Versorgungsgrad: 97,4
Status: offen

Laupheim

Versorgungsgrad: 101,4
Status: offen

Albstadt

Versorgungsgrad: 88,2
Status: offen

Sigmaringen

Versorgungsgrad: 79,0
Status: offen

Riedlingen

Versorgungsgrad: 91,4
Status: offen

Biberach

Versorgungsgrad: 104
Status: offen

Tuttlingen

Versorgungsgrad: 85,9
Status: offen

Pfullendorf

Versorgungsgrad: 86,8
Status: offen

Bad Saulgau

Versorgungsgrad: 78,2
Status: offen

Bad Waldsee

Versorgungsgrad: 94,2
Status: offen

Leutkirch

Versorgungsgrad: 106,2
Status: offen

Donaueschingen

Versorgungsgrad: 81,3
Status: offen

Stockach

Versorgungsgrad: 116,3
Status: gesperrt

Singen

Versorgungsgrad: 93,6
Status: offen

Radolfzell

Versorgungsgrad: 94
Status: offen

Konstanz

Versorgungsgrad: 108,8
Status: offen

Überlingen

Versorgungsgrad: 103,4
Status: offen

Ravensburg / Weingarten

Versorgungsgrad: 104,1
Status: offen

Friedrichshafen

Versorgungsgrad: 100,2
Status: offen

Wangen

Versorgungsgrad: 95,3
Status: offen

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Kai Sonntag, KVBW, 2017
Kai Sonntag, KVBW, 2017
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Der Versorgungsgrad bestimmt also, wo weitere Ärzte hinzukommen dürfen und wo der Markt angeblich gesättigt wäre. Es gibt dabei jedoch ein Problem: "Die Zahlen spiegeln einen Versorgungsgrad wider, den man in der Realität nicht nachweisen kann", erklärt Kai Sonntag.

Er sieht drei zentrale Probleme der Bedarfsplanung:

  1. Es ist nicht klar, ob die Verhältniszahl überhaupt stimmt.
    Niemand hat je geprüft, ob die Versorgung 1990, was als Referenz für 100 Prozent gilt, wirklich ausreichend war.
  2. Jeder Arzt, der mindestens 25 Stunden Sprechzeiten für Kassenpatienten pro Woche anbietet, zählt in die Statistik mit hinein. Egal, ob es 30 oder 40 Stunden sind, der Arzt wird als "1" gezählt.
    Das ist besonders durch die Tendenz gefährlich, dass junge Ärzte häufig weniger Sprechstunden machen, als die Ärzte, die in Rente gehen.
  3. Der Versorgungsgrad wird auf sogenannte "Mittelbereiche", rund um ein Zentrum berechnet, nicht pro Gemeinde.
    Er setzt also voraus, dass die Einwohner auch mal bereit sind, ans andere Ende dieses Bereiches zu fahren, um einen Hausarzt zu finden.
"Aus diesen Zahlen herauszulesen, wie der Versorgungsgrad ist, könnte zu erheblichen Fehlern führen", fasst Sonntag daher zusammen.

Eine richtige Alternative gibt es jedoch kaum. Denn schon die Frage: Was ist eigentlich gute Versorgung? lässt sich nur schwer beantworten.

Geht es dabei allein darum, wie schnell man einen Termin kriegt? Sollte das aber nicht je nach Art der Beschwerde unterschiedlich gewichtet werden? Gilt eine Hausarztpraxis im Nachbarort noch als gute Versorgung oder braucht jede Gemeinde eine? Welche Rolle spielt die Qualität der Praxen?
Kai Sonntag, KVBW, 2017
Kai Sonntag, KVBW, 2017
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Zurück in die Praxis

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Ohne harte Kriterien lässt sich nur schwer greifen, was und wie groß das Problem wirklich ist. Fakt ist jedoch: Es gibt ein Problem, da ist sich Kai Sonntag sicher.

Das merke die KVBW zum Beispiel daran, wie viele Anfragen sie von Menschen bekommt, die keinen Hausarzt mehr finden. Wenn in den nächsten Jahren all die Ärzte über 60 auch noch aus dem Beruf ausscheiden, wird das Problem weiter wachsen. Denn von den Unis kommt nicht genug nach.

„Es ist jetzt schon klar, dass nicht jede Praxis einen Nachfolger finden wird“, gesteht Sonntag. Welche Praxen das konkret betreffen wird, lässt sich allerdings nicht voraussagen. „Wir wissen nur insgesamt, dass wir ein Problem bekommen und ein Problem haben.“

Das wird schon getan

Die KVBW versucht dem entgegenzuwirken, etwa durch bestimmte Förderprogramme für Regionen und einzelne Gemeinden, in denen sie einen dringenden Bedarf sieht – und den liest sie nicht nur am Versorgungsgrad ab. Dafür würden zum Beispiel auch die Größe der Gemeinde, der Altersdurchschnitt der Bevölkerung oder auch die Entfernung zu anderen Praxen herangezogen, erklärt Sonntag.

„Wir werden das Problem als KV nicht allein lösen können“, stellt er auch klar. „Wir können uns ja keine Ärzte backen.“

Weiter greifende Lösungen sind jedoch schwer zu finden und brauchen häufig viel Vorlaufzeit. Mehr Studienplätze etwa seien zwar gut, aber mehr Ärzte gebe es dadurch frühestens in zwölf Jahren. Und auch die Frage, wie attraktiv die betroffene Gemeinde insgesamt ist, spiele eine Rolle. Will sich dort jemand neu niederlassen – und dort wohnen?






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Die Ärzteversorgung, gerade im Hinblick auf das Alter der Ärzte im Südwesten, ist ein Problem.
Es ist ein Problem, das weiter wachsen wird und sich trotzdem nur schlecht beziffern lässt. Mancherorts wird es vielleicht gut ausgehen, andere Gemeinden werden möglicherweise keine Nachfolger für ihre Ärzte finden. Konkrete Prognosen? So gut wie unmöglich.

Kai Sonntag bleibt trotzdem positiv. „Trotz aller Probleme, die wir haben, haben wir in Baden-Württemberg im internationalen Vergleich eine exzellente Versorgung“, sagt Sonntag und versichert: „Die wird vielleicht zurückgehen, aber sie wird exzellent bleiben.“

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August 2022 / aktualisiert Februar 2024


Recherche, Texte und Umsetzung:

Maike Daub

Fotos:
Pexels, Pixabay, KVBW

Grafiken:
Statistisches Bundesamt (Demografischer Wandel)
KVBW (Bedarfsplanung)
Maike Daub (Ärzte über 60)

Kontakt:
Schwäbische Zeitung Biberach
Marktplatz 35
88400 Biberach
www.schwaebische.de 

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